Wegen der hohen Inflation achten viele Menschen beim Einkaufen stärker auf den Preis. Umwelt- und gesundheitsbewusst leben wollen sie trotzdem. Das beschert den Discountern einen Bio-Boom.
Während die Bio-Supermärkte und die Naturkostläden 2022 laut GfK ein deutliches Umsatzminus von gut 18 Prozent ausweisen mussten und renommierte Händler wie Superbiomarkt oder Basic den Gang zum Insolvenzgericht antraten, erzielten die Discounter bei Bio-Lebensmitteln und Bio-Getränken ein Plus von gut elf Prozent. "Angesichts der hohen Inflation entscheiden sich viele Kunden, die früher vor allem bei Bio-Fachhändlern gekauft haben, für unsere Produkte", sagt Erik Döbele, Einkaufschef von Aldi Süd.
Aldi Süd hat gerade eine neu Bio-Marke unter dem gewöhnungsbedürftigen Namen "Nur nur Natur" auf den Markt gebracht. Die Produkte erfüllen "größtenteils" die Kriterien des Öko-Verbandes Naturland und übertreffen damit die Kriterien des bisherigen Bio-Sortiments. Noch ist das Sortiment klein. Es startete in diesem Monat mit 15 Produkten von der Frischmilch bis zu Dinkel-Spaghetti. Die Zahl der Produkte soll bis Mitte 2024 auf über 50 aufgestockt werden.
Bio soll bei Discountern 10 bis 15 Prozent des Sortiments ausmachen
Konkurrent Lidl arbeitet seit fünf Jahren mit dem Öko-Verband Bioland zusammen. Aktuell sind in den Lidl-Filialen laut Unternehmen mehr als 100 Bioland-Produkte erhältlich. Der zu Rewe gehörende Discounter Penny kündigte im Februar eine Kooperation mit Naturland an. "Zum einen ist die Nachfrage nach Bio-Produkten ungebrochen", sagt der Rewe-Manager Philipp Stiehler. "Zum anderen nimmt dabei aber auch die Preissensibilität der Kundinnen und Kunden zu." 2022 steigerte Penny den Bio-Umsatz nach eigenen Angaben um gut zehn Prozent. Auch der zur Edeka-Gruppe gehörende Discounter Netto erfüllt nach eigenen Angaben bei vielen Artikeln seiner Biomarke Naturkind Öko-Richtlinien.
Das Thema Bio ist für die Discounter ein Erfolg. "Rund 15 Prozent unseres Standard-Sortiments besteht inzwischen aus Bio-Produkten", sagt die Aldi-Süd-Managerin Julia Adou. "Vor 18 Jahren, als die ersten Bio-Produkte bei Aldi Süd Einzug hielten, hätte sich das noch niemand vorstellen können." Auch bei Lidl sollen Bio- und Bioland-Artikel bis 2025 zehn Prozent des Gesamtsortiments ausmachen.
Für den klassischen Bio-Handel ist das ein Problem. Der Gründer des Bio-Imperiums Alnatura, Götz Rehn, sagte kürzlich der Lebensmittel Zeitung, für viele Fachhandelsmarken und Bioläden sei die Neuordnung der Marktanteile eine Herausforderung. Entscheidend sei es, ob es ihnen gelinge, den Unterschied zum Discount-Sortiment deutlicher zu machen. Nach Einschätzung der GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Hanna Kehl ist es ungewiss, ob der Bio-Fachhandel die verlorenen Kunden zurückgewinnen kann. "Die Wiederkaufsrate bei Bio-Handelsmarkenprodukten ist hoch." Die Verbraucher seien mit den Produkten zufrieden. "Warum sollten sie dann wieder wechseln?"
Bio sollen die Lebensmittel weiter sein – aber billiger - badische-zeitung.de
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