Jährlich landen in Deutschland Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Doch sind Produkte auch Jahre später noch genießbar? Ein Test zeigt es.
München – Eine Reporterin wollte es genauer wissen und machte kürzlich den Selbstversuch. In einem Supermarkt kaufte sie gezielt Waren, die nicht mehr lange haltbar waren, und stellte sie für weitere zwei bis drei Wochen in ihren Kühlschrank. Danach waren die Lebensmittel weit über ihrem Verfallsdatum. Aber immer noch genießbar?
Die ntv-Reporterin Anna Acker wagt – wenn auch mit einigen Vorbehalten – das Eigenexperiment: Einen Monat abgelaufenes Brot mit Käse und Geflügelleberkäse, zwei Wochen abgelaufene Würstchen, vier Wochen über dem Mindesthaltbarkeitsdatum liegender Schoko-Pudding, vier Tage alter Räucherlachs. Verstärkung holt sich die Journalistin von Ernährungsexpertin Kerstin Obermoser. Sie empfiehlt sich bei dem Versuch auf die eigenen Sinne zu verlassen: Riechen, Sehen, Schmecken.
Reporterin testet abgelaufene Lebensmittel – und kommt zu einem klaren Ergebnis
Das Ergebnis überrascht: Schokopudding und Würstchen schmeckten und könnten bedenkenlos verzehrt werden. Anders sieht es beim Käse aus. Dieser war nach zehn Tagen mit grünen Schimmelflecken versehen – ungenießbar. Das gegessene Brot habe ebenfalls ein paar Bauchschmerzen mit sich gebracht. Der Lachs habe hingegen nach dem Verzehr keine Beschwerden verursacht. Doch Vorsicht: Auf Fischprodukte nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum sollte verzichtet werden. Sonst geht man das Risiko einer Salmonellenvergiftung ein.
Besonders überrascht war die Reporterin über eine dreizehn Jahre alte Kartoffelsuppe aus der Konserve. Diese sei in ihrer Konsistenz zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig gewesen, habe aber dennoch gut geschmeckt und könne ohne Bedenken verzehrt werden.
Bundesministerium und Experten: „Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist lediglich ein Richtwert“
„Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist lediglich ein Richtwert. Ich würde es im Zweifel bei den meisten Produkten selber überprüfen. Das meiste ist immer länger haltbar“, sagte Ernährungsexpertin Kerstin Obermoser. Und auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mahnt: „Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist kein Wegwerfdatum“. Das bestätigen auch zahlreiche Studien. Grundsätzlich gilt: Angeschimmelte Produkte nicht konsumieren.
Auch großzügiges Wegschneiden kann den durch Schimmel verursachten Schaden nicht mehr beheben und ist für unser menschliches Auge nicht immer sichtbar. Anders verhält es sich bei langem gereiftem Hartkäse oder getrockneten Fleischprodukten wie italienischer Salami oder spanischem Serrano Schinken. Hier können in manchen Fällen verschimmelte Bereiche abgeschnitten und das Produkt noch gegessen werden.
Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum: Das sind die Unterschiede
Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum werden vom Hersteller festgelegt. Denn eine gesetzliche Vorschrift, wie das Datum zustande kommt, gibt es in Deutschland nicht. Gemäß Lebensmittelkennzeichnungsverordnung muss zum Beispiel bei Speisesalz überhaupt kein Mindesthaltbarkeits- oder Verfallsdatum angegeben werden. Anders verhält es sich bei jodiertem Salz. Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) für dieses ist gesetzlich vorgeschrieben, da sich bei längerer Lagerung die Wirksamkeit des Jodats vermindern kann. Nach Ablauf des MHD könnte der Jodgehalt möglicherweise nicht mehr der auf der Verpackung angegebenen Menge entsprechen.
Speisesalz ohne zugesetztes Jod benötigt keine Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums, und muss gemäß der Los-Kennzeichnungsverordnung lediglich mit einer Losnummer versehen werden, um im Falle eines Rückrufs die betroffenen Produkte identifizieren zu können. Das 100 Millionen Jahre alte Alpensalz kann also in aller Ruhe noch Generationen später verzehrt werden. Das Verbrauchsdatum ist strenger: Bei Konsumgütern mit Verbrauchsdatums besteht nach dessen Ablauf eine Gesundheitsgefahr für Menschen durch Keime. Das betrifft:
- Hackfleisch
- Geflügelprodukte
- Milch
- Fischprodukte
- Meeresfrüchte, wie Muscheln, Garnelen, Krabben, Hummer etc.
Lebensmittelverschwendung: EU startet Kampagne
In Deutschland landen jedes Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel in der Mülltonne. Und Schätzungen zufolge werden im EU-Raum pro Jahr 88 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Dies entspricht umgerechnet etwa 173 Kilogramm pro Person. Zu viel, findet auch die EU-Kommission, und hat sich daher bereits 2017 eine Reduzierung von Lebensmittelverschwendung um bis zu 30 Prozent bis 2025, und bis 2030 um 50 Prozent, vorgenommen. In Deutschland möchten einige Politikerinnen und Politiker das MHD gänzlich abschaffen.
Supermärkte und Discounter wie Lidl, Edeka, Aldi und Co. streben danach, so wenig Lebensmittel wie möglich zu entsorgen. Deshalb sind Artikel, die nur noch kurze Zeit haltbar sind, laut Mindesthaltbarkeitsdatum, reduziert. Und zwar deutlich. Manche Produkte werden gar, um bis zu 90 Prozent herabgesetzt. Aber auch 20 oder 30 Prozent machen sich auf dem Kassenbon in der Summe bemerkbar. Mittlerweile haben sich auch Online-Shops auf das Geschäft mit Lebensmitteln, die weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum liegen, spezialisiert. Festzuhalten ist: Wer beim wöchentlichen Einkauf auf Produkte kurz vorm Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zurückgreift, gefährdet nicht unbedingt seine Gesundheit, sondern schon vor allem seinen Geldbeutel. (ls)
Ein Produkt schon 13 Jahre alt: Abgelaufene Lebensmittel im Test – das Ergebnis gibt zu denken - fr.de
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