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Tuesday, February 21, 2023

Erfahrungen von Start-Ups: Essen wir bald wirklich mehr Insekten? - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Marc Timothy Schotter war 2018 überzeugt, dass Insekten zur Ernährung der Zukunft gehören. Während eines Praktikums bei einem Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln für den Fitnessbereich hatte der sportbegeisterte Business-Student bemerkt, dass Proteinpulver & Co. oft auf wenig nachhaltige Weise entstehen, weil Zutaten aus der halben Welt eingeflogen werden. Schotters Idee: Insekten, die er bei einer Asienreise schon einmal probiert hatte, könnten eine nachhaltigere Proteinquelle sein. Darum gründete er nach dem Abschluss mit einem Kommilitonen in Berlin das Food-Start-up Insnack.

Schotter gehörte zu einer ganzen Welle von Gründern, die vor einigen Jahren versuchten, Lebensmittel mit Insekten auch in Europa heimisch zu machen. Neben den Krabbeltieren selbst kamen zwischenzeitlich Burgerpattys, proteinreiche Pasta und Süßigkeitenriegel mit Insektenbei­mischungen auf den Markt. Lebensmittelhändler wie Rewe oder Tegut nahmen die Produkte vorübergehend ins Sortiment auf, Restaurants machten Schlagzeilen mit Insekten auf der Speisekarte.

Experimentierfreudige Supermärkte

Doch der Trend war nicht so unaufhaltsam, wie er schien. Mit wenigen Ausnahmen sind die Produkte nicht mehr lieferbar, Restaurants mit Insekten sind schwer zu finden, und kaum ein Start-up ist noch aktiv – trotz der guten Argumente, die mit Blick auf Nachhaltigkeit und Gesundheit dafür sprechen, Schwein, Kuh und Rind (teilweise) durch Grillen, Heuschrecken oder Würmer zu ersetzen. Und trotz der fortschreitenden Zulassungen von Insekten als Lebensmittel, die dem Thema anhaltende Aufmerksamkeit sichern – etwa als zuletzt ein Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien losbrach, weil eine neue EU-Verordnung den Vertrieb von Hausgrillenmehl und Getreideschimmelkäferlarven als „Novel Foods“ erlaubt.

Ein Mitarbeiter einer Nudelmanufaktur nimmt Pulver aus gefriergetrockneten Larven des Getreideschimmelkäfers aus einer Wanne.

Ein Mitarbeiter einer Nudelmanufaktur nimmt Pulver aus gefriergetrockneten Larven des Getreideschimmelkäfers aus einer Wanne. : Bild: dpa

Schotter probierte es im Snacksegment, da ein – mittlerweile ebenfalls verschwundener – Mitbewerber mit Proteinpulver die Fitness-Nische schon besetzt hatte. In­snack brachte Nussriegel mit Grillenmehlanteil auf den Markt, später kamen „Insektenknaller“ aus Buffalowürmern hinzu, die Erdnussflips ähneln. Anfangs war die Resonanz groß: „Damals war das Thema in den Medien sehr präsent und das Interesse groß. Als wir 2019 bei der Grünen Woche unsere ersten Produkte präsentierten, wurden wir geradezu überrannt und hatten nach wenigen Tagen Nachschubprobleme.“

Auch die Supermärkte, in deren Sortiment sich das junge Start-up etablieren wollte, seien offen und experimentier­freudig gewesen. Schotter sagt, die Lust auf Lebensmittelinnovation bei den Händlern sei groß: „Viele wollten unsere Insektenprodukte ausprobieren und sind uns weit entgegengekommen – oft auch dann, wenn zuvor schon Versuche mit den Produkten anderer Mitbewerber gescheitert waren.“ Zwischenzeitlich habe es Insnack mit seinen Produkten in etwa 150 Märkte geschafft, andere Start-ups sogar noch in wesentlich mehr, schätzt Marc Timothy Schotter.

Noch nachhaltiger als Ernährung mit Insekten

Doch der Schwung ließ bald nach, nur selten kamen aus den Märkten Nach­bestellungen. Man habe zwar einige „Impulskäufer“ erreicht, es hätten aber die „Wiederkäufer“ gefehlt, die die Produkte zu einem Teil der alltäglichen Ernährungsgewohnheiten machen: „Viele wollten Lebensmittel mit Insekten einmal probieren, vielleicht als Actionkick oder Partygag. Aber es war schwierig, den anfänglichen Erfolg mittel- und langfristig zu verstetigen.“ Auf Dauer habe man in keiner der angedachten Zielgruppen – bei Sport­begeisterten, Gesundheitsbewussten, Natur­liebhabern, Abenteurern – Fuß ­fassen können. Dabei hätten sich Ver­packungen, die den Insektenanteil auffällig bewarben, als wenig zielführend erwiesen: „Bei tierischen Produkten lacht einen ja häufiger eine Kuh oder ein Schwein an, hier war das offenbar nicht so erwünscht.“

Für Insnack wurde es schon im Winter 2019 schwierig, 2020 war endgültig Schluss. „Als die Corona-Pandemie losging, haben wir einen starken Pushback erlebt, offenbar haben Menschen doch wieder mehr Angst vor exotischeren Lebensmitteln bekommen. Und da die Händler andere Sorgen hatten, wurde es auch sehr schwer, in die Supermärkte zu kommen“, sagt Schotter. Zwar gebe es durchaus einzelne erfolgreiche Unter­nehmen im Markt. Selbst manche der gescheiterten Mitbewerber hätten sich einen kleinen, aber treuen Kundenkreis erarbeitet, der in den sozialen Medien das Verschwinden der Produkte bedauert.

Doch Schotter, der nun im Coaching tätig ist, ist zu der Ansicht gelangt, dass der Ernährung mit Insekten eher nicht die Zukunft gehört: „Ich habe mein Start-up auch deshalb beendet, weil ich nicht mehr an die Idee glaubte – rein persönlich nicht, weil ich mich mittlerweile fast ausschließlich vegan ernähre, aber auch mit Blick auf die Akzeptanz bei den Konsumenten in Europa nicht.“ Lebensmittel mit Insekten könnten vielleicht in einer Lieb­haber­nische heimisch werden, doch die meisten wollten die Produkte schlicht nicht.

Der Weg zu akzeptablen nachhaltigeren Ernährungsgewohnheiten könnte stattdessen über mehr vegetarische und vegane Ernährung führen: „Auch in diesem Bereich gibt es ja tolle Start-ups mit großartigen Produkten. Und wenn man direkt über die Pflanzen geht, ist das sogar noch nachhaltiger, dann spart man sich den Zwischenschritt über die Insekten.“

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