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Saturday, December 24, 2022

„Bei den Preisen für Lebensmittel sind wir wohl über den Berg” - Nordkurier

In den Geschäften sind die Preise für Lebensmittel zweistellig gestiegen. Was kommt bei den Bauern an?

Das ist bei den einzelnen Produkten komplett unterschiedlich. Laut aktuellen Situationsberichten des Bauernverbandes kommen beim Brot etwa fünf Prozent vom höheren Preis bei den Landwirten an, beim Fleisch sind es im Durchschnitt 20 Prozent, bei der Milch 36 Prozent. Daran sieht man zum Beispiel, dass Milcherzeuger ein gutes Jahr hatten. Jetzt gibt es hier aber erste Signale, dass der Handel auf die Bremse tritt, gleichzeitig aber Energie und Futter deutlich teurer geworden sind. Das kann auch schnell wieder kippen.

Müssen die Haushalte auch 2023 mit weiter stark steigenden Ausgaben für Lebensmittel rechnen?

Ich denke eher, dass wir über den Berg sind. Ich weiß natürlich nicht, wie sich die Energiesituation und die internationale Rohstofflage entwickeln werden. Die Ukraine wird im kommenden Jahr deutlich weniger Getreide liefern können, andere werden wahrscheinlich einspringen. Wir gehen beim Weizen zum Beispiel nur noch von leichten Steigerungen bei den Preisen aus.

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Laut Deutschem Bauernverband hat das Wirtschaftsjahr 2021/22 mit höheren Gewinnen für die Betriebe geendet, wobei die Unternehmen im Norden sogar besser da standen als im Süden. Ist die Lage in der Landwirtschaft besser als die Stimmung?

Das ist vor allem beim Getreide auf eine bessere Witterung im Norden als im Süden zurückzuführen. Das Plus kommt vom Pflanzenbau, bei Schweinen oder Geflügel konnten keine besseren Betriebsergebnisse erzielt werden. Die Ernte 2022 konnte zu aktuell sehr hohen Preisen verkauft werden, die Kosten waren aber teilweise noch auf dem niedrigeren Niveau von 2021 und von vor dem Ukraine-Krieg. Das hat die Margen erhöht.

Wirtschaftsforscher vom Ifo-Institut kommen zu dem Schluss, dass durch die Landwirtschaft Preise über die tatsächlich gestiegenen Kosten hinaus erhöht wurden. Wird jetzt nachgeholt, was in der Vergangenheit zum Beispiel wegen der Macht des Einzelhandels nicht möglich war?

Nicht wir selbst haben die Preise erhöht, sondern wir haben mehr Geld für unsere Rohstoffe bekommen. Das hat mit der Nachfrage und den Notierungen an den internationalen Börsen zu tun. Wann wir was verkaufen, ist unsere Entscheidung, die Preise werden dagegen auf den Weltmärkten gemacht.

Käufer wenden sich günstigeren Preisgruppen und Discountern im Handel zu. Wird Bio zum Auslaufmodell?

Jetzt verstärkt sich nachweislich der Trend, dass man Bioprodukte auch beim Discounter kaufen kann. Da zeichnet sich eine bemerkenswerte Verlagerung ab. Das geht auch zulasten hochwertiger regionaler Produkte, die direkt über Hofläden vermarktet werden. Es zeigt sich aber auch, dass hochpreisige Bioprodukte nicht so sehr betroffen sind. Es gibt eben Leute, die sich das leisten können und wollen.

Agrarminister Backhaus hat die Verabschiedung der Düngeverordnung in letzter Minute gestoppt, nachdem im Entwurf eine deutliche Ausweitung der Flächen von 13 auf knapp 32 Prozent festgeschrieben wurde, auf denen zum Schutz des Grundwassers nur eingeschränkt gedüngt werden darf. Hat Sie das überrascht?

Dass er kurz vor dem Ziel noch einknickt, habe ich so nicht erwartet. Wir haben immer gefordert, dass die Ergebnisse der einzelnen Messstellen einbezogen werden sollen. Insofern sehen wir die Notbremse an dieser Stelle positiv. Mich verwundert, dass die Ergebnisse, die jetzt eingearbeitet werden sollen, noch nicht im Ministerium vorgelegen haben sollen. Was am Ende dabei rauskommt, erschließt sich mir aber auch noch nicht.

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Die betroffenen Landwirte fürchten sinkende Erträge, wenn sie in den so genannten roten Gebieten auf ein Fünftel des Düngers verzichten sollen. Fühlen sich die Bauern durch die Forschungseinrichtungen des Landes wissenschaftlich gut begleitet, um Einbußen zu verringern?

Die Forschungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist angesichts der Personaleinsparungen ohnehin dünn genug. Wir bemängeln aber, dass deren Ergebnisse zu wenig in politische Entscheidungen einfließen. Da steht zu oft die jeweilige politische Doktrin im Vordergrund. Fast kurios ist schon, dass die Forschungseinrichtungen nach den bisherigen Entwürfen selbst in den roten Gebieten liegen. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.

Ab 2023 gelten neue Förderprogramme der EU? Sehen Sie Ihre Forderungen erfüllt, dass Landwirte, die besondere Umweltmaßnahmen durchführen, ausreichend belohnt werden?

Es war ja das zentrale politische Versprechen für die neue Förderperiode, dass man mit Umweltmaßnahmen Geld verdienen kann. Der Anspruch wurde komplett nicht erfüllt. Es bleibt dabei, dass nur entgangener Gewinn oder zusätzlicher Aufwand entlohnt werden. Eine Gewinnkomponente ist wieder mal nicht vorgesehen.

Können Sie aber auf sinkenden bürokratischen Aufwand hoffen?

Die neue Verordnung ab 2023 ist noch bürokratielastiger als die vorherige. Es ist schon Wahnsinn, dass es selbst den Ämtern schwerfällt, den Landwirten alle Details zu erklären. Dazu kommt, dass wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen und Fehler schnell sanktioniert werden können. Da überlegt sich vielleicht manch einer, ob er nur das Nötigste machen wird.

Im kommenden Jahr soll ein verpflichtendes Tierwohllabel für frisches Schweinefleisch eingeführt werden. Der richtige Weg?

Die Idee eines verbindlichen zentralen Labels ist eine uralte Forderung des Bauernverbandes. Umgesetzt wird jetzt nur ein Bruchteil. Eine Besserstellung für deutsche Landwirte, die sich an die strengeren deutschen Regeln halten, gibt es nicht. Das ist eigentlich sinnlos. Wer Schweinefleisch kauft, kann sich auch künftig nicht sicher sein, ob nicht zum Beispiel die Ferkel in Dänemark unter schlechteren Bedingungen aufgezogen wurden als bei uns.

Ein Jahr lang regiert die Ampel im Bund. Ist es tatsächlich so schlimm gekommen, wie von vielen Landwirten befürchtet?

Die Erwartungen der Landwirtschaft sind überhaupt nicht erfüllt. Wir haben damit gerechnet, dass es einen richtigen Schub gibt, wenn die Grünen komplett das Sagen haben. Es hat aber über ein Jahr gedauert, allein das mickrige Tierwohllabel auf den Weg zu bringen. Und wenn man schon ein Viertel der Legislaturperiode braucht, um sich selbst zu finden, kann man nur von Stillstand sprechen.

Vor knapp zwei Jahren wurde auf Initiative von Kanzlerin Merkel als Reaktion auf die Bauernproteste eine Zukunftskommission gegründet. Damit wollte sie dem Vorwurf begegnen, dass die Belange der Landwirtschaft zu wenig im Regierungshandeln berücksichtigt werden. Kommen Sie voran?

Ich war selbst für den Deutschen Bauernverband auf der ersten Sitzung der Kommission unter der neuen Regierung. Bei Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir war nicht zu erkennen, welche Ziele er anpeilen will. Es fehlt jetzt an einem klaren Auftrag, wie es weiter gehen soll. Fakt ist: Von den Forderungen der Demonstranten ist nicht eine umgesetzt. Der Bericht der Zukunftskommission ist so allgemein gehalten, dass sich niemand dran stoßen kann.

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