Zum ersten Mal in ihrer jüngeren Geschichte bekommt die deutsche Biobranche einen Dämpfer. Der Umsatz mit Biolebensmitteln sei bis Ende Oktober 2022 um 4,1 Prozent gesunken, verglichen mit dem entsprechenden Zeitraum des vorangegangenen Jahres. So zitiert die Deutsche Presseagentur einen Marktbericht des Deutschen Bauernverbandes.

Das ist, so könnte man meinen, wenig verwunderlich. Schließlich waren die vergangenen Monate ja mit allerhand finanziellen Zumutungen verbunden – allen voran steigenden Kosten für Energie. Dass die Menschen da an anderer Stelle sparen, beispielsweise beim Einkauf von Lebensmitteln, war abzusehen. Doch so einfach ist das nicht. Denn das Minus betrifft dem Bericht zufolge vor allem den Naturkostfachhandel. In regulären Supermärkten sei der Öko-Umsatz in etwa gleich geblieben. Und die Discounter seien mit ihren Bioprodukten sogar zu Gewinnern eines "Trends zum Billigeinkauf" geworden.

Die Entwicklung verrät eine Menge über Möglichkeiten und Grenzen von bewusstem Konsum sowie über Handelsstrategien. Vermutlich haben Aldi, Lidl und Co. für das Biosegment nämlich mehr getan als jene Fachhändler, die sich auf ein gleichermaßen anspruchsvolles wie gut betuchtes Kundensegment konzentriert haben – das allerdings ziemlich klein ist. Abgrenzung nach unten (dort die Massenkundschaft, hier der wahre Bio-Kenner) funktioniert eben nur begrenzt.

Erst vergangene Woche meldete die reine Biomarktkette Basic Insolvenz an – das jüngste Symptom der Krise. In besseren Zeiten haben sich die Boutiquen der Branche die Chance, Bio auf eine viel breitere Basis zu stellen, von den Discountern aus der Hand nehmen lassen. Stattdessen haben sich einige in einer exklusiven Blase eingerichtet.

Man kann konventionellen Produzenten und Händlern vorwerfen, dass sie mit einer viel zu heilen und oft falschen Welt werben – lächelnde Kühe, sonnenbeschienene Fachwerkhöfe, gütig dreinblickende Almbauern. Heile-Welt-Versprechen kennt die Biobranche allerdings auch. Mal bedienen sich Unternehmen einer Markenwelt aus dem Märchenland, mal folgen sie anthroposophischen Ideen über die kosmische Vernetzung von Kühen, mal beschwören sie die segensreiche Wirkung von Vollmondlicht auf die Qualität von Käse und Mineralwasser. Mehr zu tun, als das Biosiegel verlangt, ist manchmal ein Ausdruck von Verantwortung gegenüber Mensch und Natur – andere Male ist es pure Esoterik.

Unbestritten ist, dass die reinen Biokriterien keine paradiesischen Zustände garantieren. Man denke nur an die riesigen Gewächshausanlagen im Süden Spaniens, in denen Biogemüse mit viel Sonne in einer wasserarmen Gegend herangezogen wird. Mit Lastwagen wird es anschließend durch halb Europa gekarrt. Alles nicht ideal. Aber eben auch: Bio nach Vorschrift.

Am Ende entscheidet bei vielen Menschen der Preis. Dass es den Discountern offenbar gelingt, Biolebensmittel zu einem Preis anzubieten, den sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher auch in der Krise noch leisten können, ist zunächst einmal ein Fortschritt. Klar, man kann es immer besser machen. Man muss es sogar. Aber in einer Marktwirtschaft, erst recht in einer Supermarktwirtschaft, muss das Angebot bezahlbar bleiben. Die Discounter überzeugen ihre Kunden weiterhin pragmatisch und im großen Stil mit Bioware. Die anderen haben vielleicht die besseren Argumente. Aber was nützt das, wenn sie einem nicht mehr abgekauft werden?