Der Blick auf den Kassenzettel löst dieser Tage eher ein ungutes Gefühl in der Magengegend aus. Knapp ein Drittel mehr für Speiseöle wie Sonnenblumen- oder Rapsöl, rund 18 Prozent mehr für Fleischwurst, über die Hälfte mehr für frische Gurken: Im Vergleich zum vergangenen Jahr sind die Preise für viele Nahrungsmittel in Rheinland-Pfalz deutlich gestiegen. Das zeigen vorläufige Zahlen des Statistischen Landesamtes für den Monat April:
Die monatliche Teuerungsrate in Rheinland-Pfalz ist demnach insgesamt erneut gestiegen. Mit sieben Prozent im April hat sie den höchsten Wert seit 1995 erreicht. Der Preisanstieg bei den Nahrungsmitteln lag bei neun Prozent. Anfang des Monats hatten fast alle Supermärkte und Discounter ihre Preise für eine Vielzahl von Produkten erhöht.
Experten: Preise steigen noch weiter
Wie geht es weiter mit den Lebensmittelpreisen? Auch wenn Prognosen aufgrund der unsicheren weltpolitischen Lage schwierig sind: Viele Experten schätzen, dass die Preise für Nahrungsmittel erstmal noch weiter steigen könnten. "Wir haben da noch nicht das Schlimmste gesehen", meint auch Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Institutes für Handelsforschung in Köln (IFH Köln). "Wir müssen uns eher auf weiter steigende Preise einstellen."
Ein bisschen Hoffnung macht er trotzdem: "Wir müssen tatsächlich nicht mehr erwarten, dass es zu sprunghaften Steigerungen kommt. Wir haben bereits eine ungeheure Ansammlung von großen Herausforderungen gesehen", so der Handelsexperte. Dennoch: Der Druck auf den Lebensmittelpreis bleibe hoch.
Viele Faktoren führen zu teureren Lebensmitteln
Dass die Lebensmittel in Deutschland derzeit teurer werden, hat viele Gründe. Eine große Rolle spielen dabei die Folgen des Ukraine-Krieges. Agrarexporte aus Russland und der Ukraine werden zu einem signifikanten Teil wegfallen. Das sorgt für Unsicherheit auf dem Weltmarkt und treibt die Preise in die Höhe. Denn Russland und die Ukraine zählten bisher zu den wichtigsten Exporteuren von Weizen, Mais und Ölsaaten wie Raps.
Gleichzeitig gibt es ein kräftiges Plus bei den Energiepreisen - diese Entwicklung war bereits vor Beginn des Krieges zu beobachten. Auch das trifft die Branche hart: Denn ohne Strom, Gas oder Diesel läuft bei der Lebensmittelproduktion nichts. Das alles wirkt sich auf die Produktionskosten der Landwirte aus. Futtermittel und Kraftstoffe werden teurer. Allein für die Produktion von Düngemitteln sei sehr viel Gas erforderlich, sagt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd. Zusätzlich fehlen die Exporte aus Russland und der Ukraine. "Dementsprechend müssen wir als Verbraucher an der Ladenkasse einfach mehr bezahlen." Das sei auch wichtig, um die Realität abzubilden, was die Produktion kostet, so Köhr.
Auch die anhaltende Corona-Pandemie hat ihr übriges getan: gestörte Lieferketten, Probleme beim weltweiten Container-Transport, zu wenig Lkw-Fahrer. "Es fehlen entsprechende Logistikkapazitäten, seien es Schiffskapazitäten für Importe, oder Lkw-Kapazitäten zum Transport auf der Straße", erklärt Thomas Scherer, Geschäftsführer des Handelsverbands Rheinland-Pfalz. Auch die gestiegenen Logistikkosten fänden sich im Endpreis für Lebensmittel wieder.
Höhere Produktionskosten kommen erst noch zum Tragen
Eine Entspannung oder gar Rückgang der Preise? Erstmal nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Kostensteigerungen in der Lebensmittelproduktion wirken sich erst mit Zeitverzögerung auf die Preise aus. Davon geht auch der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd aus. "Getreide mit erhöhten Produktionskosten wird erst in diesem Jahr geerntet", sagt Andreas Köhr. "Eigentlich sind die Produkte, die wir in diesem Jahr erst ernten so teuer produziert worden, wie noch nie zuvor."
Auch die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz schätzt, dass die Preise für die kommende Ernte nochmal ansteigen werden. "Der Dünger wird jetzt gebraucht, aber die Lebensmittel, die dadurch auf den Feldern wachsen, kommen erst später", so Waltraud Fesser, Fachbereichsleiterin Lebensmittel und Ernährung. Zudem zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dass auch die Energiepreise weiter steigen. Diese Entwicklung werde sich "mit einem gewissen Zeitversatz" auch auf die Verbraucherpreise auswirken, erklärt Handelsexperte Hudetz.
Dazu komme noch, dass weltweit viele Rohstoffe immer teurer würden. Stahl, Nickel oder Holz beispielsweise. Diese Produkte kämen erst sukzessive in den Kreislauf - und würden sich erst zu einem späteren Zeitpunkt bemerkbar machen. "Beispielsweise, wenn Maschinen ausfallen und neue Maschinen gekauft werden, die dann deutlich teurer sind, als die, die vorher im Einsatz waren", so Hudetz.
Besonders betroffene Lebensmittel könnten auch wieder günstiger werden
Bei Nahrungsmitteln, deren Preisanstieg stark mit dem Ukraine-Krieg verbunden ist, könnte es aber Erleichterungen geben, sagt Handelsexperte Hudetz. Wenn auch hier mit einer gewissen Zeitverzögerung. "Beispiel Rapsöl. Wir haben jetzt einen Krieg, der hoffentlich bald endet – und dann normalisiert sich der Prozess auch langsam wieder."
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Auch ohne weltweite Krisen: Lebensmittelpreis steigt
Auch wenn internationale Krisen - wie der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie - maßgeblich für die aktuell steigenden Lebensmittelpreise verantwortlich sind - letztlich beschleunigen sie nur einen bereits vorher bestehenden Trend. Mit teureren Lebensmitteln sei sowieso zu rechnen gewesen, bestätigt Thomas Scherer vom Handelsverband Rheinland-Pfalz.
Insgesamt würden die Prozesse bei der Produktion von Lebensmitteln einfach teurer, sagt auch Handelsexperte Hudetz. Und auch das hat viele Gründe. "Wir haben zum Beispiel eine Verteuerung der Lebensmittel einhergehend mit einer höheren Qualität von Lebensmitteln insgesamt", so Hudetz. Viele Preiseffeke seien auch darauf zurückzuführen. Es würden außerdem höhere Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Lebensmittel gestellt. Auch strengere politische Vorgaben, die zum Beispiel das Tierwohl betreffen, führen zu einem Mehraufwand in der Produktion - und damit wiederum zu höheren Preisen. Ebenso wirkt sich ein steigender Mindestlohn aus.
Und auch die noch nicht vollzogene Energiewende und der Klimawandel spielen eine Rolle: "Ernten hängen natürlich auch davon ab, wie sich unser Klima weiter verändert", erklärt Waltraud Fesser von der Verbraucherzentrale. Wenn es etwa mehr Wetterkapriolen oder gar Stürme oder Hochwasser gibt, schlägt sich auch das in Zukunft im Preis nieder.
Allerdings geht es hier um völlig andere Dimensionen als die, die wir aktuell erleben, gibt Hudetz zu bedenken. "Kurz oder mittelfristig zeigt der Pfeil nach oben, aber nicht mehr so stark, wie wir es in den letzten Wochen erlebt haben."
Große Konkurrenz im Lebensmittelhandel
Die gute Nachricht: Ausnutzen werden die Lebensmittelhändler die zurzeit steigenden Preise wohl nicht. "Das sehe ich nicht", sagt Hudetz. "Die Händler stehen viel zu sehr unter einem starken Wettbewerbsdruck, um das machen zu können." Der Handel werde schon versuchen, die Preissteigerungen an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben, müsse dabei aber aufgrund der starken Konkurrenz sehr vorsichtig und intelligent agieren. Angebote würden dabei eine große Rolle spielen, schätzt der Handelsexperte.
Auch vom Handelsverband Rheinland-Pfalz heißt es, die Händler müssten konkurrenzfähig bleiben. Die Preissteigerungen würden deshalb nicht immer vollständig und direkt an den Kunden weitergeben. "Sie haben in ihrem breiten Angebot immer Artikel, bei denen sie gegebenenfalls Preissteigerungen komplett weitergeben müssen", sagt Thomas Scherer. "Aber auch andere Artikel, bei denen sie als Händler die Preissteigerung zum Teil selbst tragen."
Für den Kunden sei das alles allerdings nur schwer nachvollziehbar, erklärt die Verbraucherzentrale. Ob ein Preis für ein Produkt fair sei oder nicht, sei nicht erkennbar.
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Vor allem betroffen: Familien mit niedrigem Einkommen
Die steigenden Lebenshaltungskosten treffen vor allem Familien mit geringem Einkommen. Das zeigt etwa eine Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Laut den Forschern der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fallen neben der Energie auch die gestiegenen Preise für Lebensmittel bei den Ausgaben dieser Haushalte besonders stark ins Gewicht.
Viele Verbände und Experten sehen deshalb politischen Handlungsbedarf, auch über die bereits beschlossenen Maßnahmen hinaus. Eine Mehrwertsteuerbefreiung für Lebensmittel ist genauso im Gespräch wie finanzielle Entlastungen für Geringverdienende, eine Lebensmittelpauschale oder höhere Löhne. Bisher ist aber keine der Ideen auf breite politische Zustimmung gestoßen.
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