Das gilt sowohl für die Erzeugerpreise als auch für die Verbraucherpreise für Lebensmittel. Der Grund: Deutschland ist keine Insel. Im Gegenteil. Der Markt für Nahrungsmittel in Europa und weltweit ist geprägt durch einen intensiven Warenaustausch - in normalen Zeiten.
In Krisenzeiten wie diesen, ist das aber nicht der Fall. Dann machen große Exporteure die Grenzen dicht, um die eigene Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Große Importeure, wie etwa China, bunkern Lebensmittel und erschweren über Zölle und andere Restriktionen den Handel. Und nun kommt der Krieg am Schwarzen Meer hinzu.
Dieser Krieg und der Ausfall zweier großer Exporteure von Getreide, Ölsaaten, Dünger und Energierohstoffen jagt die globalen Preise weit nach oben und löst in vielen Staaten Schutzmaßnahmen aus. Außerdem fangen die Verbraucher in vielen Ländern an zu hamstern, zunächst bei Sonnenblumenöl und Mehl, dann auch bei anderen Produkten, denn sie befürchten Versorgungsprobleme und steigende Preise.
Das ist ein Dilemma für die Nahrungsversorgung, denn die Handelsströme sind derzeit gestört oder komplett unterbrochen - wenn dies nicht durch die coronabedingten Lieferkettenunterbrechungen und die Explosion der Energiepreise schon vorher der Fall war.
Fakt ist jedenfalls: Die hohen und weiter steigenden Nahrungsmittelpreise zeigen an, dass viele Lebensmittel (derzeit) wirklich knapp sind. Denn Preise messen Knappheiten und nicht die extrem hohen Kosten, wie sich das vielleicht auch manche Landwirte wünschen würden. Wäre das wirklich so, dann gäbe es wohl keinen Wettbewerb mehr.
Lebensmittelpreise steigen steil an – auf allen Handelsstufen
Fakt ist jedenfalls: Die Nahrungsmittelpreise sind für fast alle wichtigen Grundnahrungsmittel kräftig gestiegen. Und nicht etwa deshalb, weil die Kosten so stark gestiegen sind, sondern weil die Ware wirklich knapp ist. Natürlich steigen wegen der Energiepreise auch die Herstellungskosten für Bauern und Industrie sehr stark an und werden sukzessive auf die Produkte umgelegt. Das geht aber nur solange, wie diese wirklich knapp sind, sonst wäre das kaum möglich.
Die Erzeugerpreise der Industrie für die wichtigsten Lebensmittel sind nach den Berechnungen von Destatis im Februar sehr kräftig gestiegen: Insgesamt waren Nahrungs- und Futtermittel danach 18,4 % teurer als vor einem Jahr. Die Industriepreise für Fleisch waren 11,4 % höher, der Aufschlag bei Rindfleisch lag bei 25 % und für Obst und Gemüse mussten Abenehmer offenbar 14,9 % mehr auf den Tisch blättern.
Besonders stark war der Anstieg bei Pflanzenölen – nämlich bei 86 % und Milch sowie Milcherzeugnisse haben sich um 28,9 % verteuert. Die Preise für Mehl sind ebenfalls sehr stark um 22,6 % gestiegen und für Teigwaren mussten 19 % mehr gezahlt werden. Und so geht das endlos weiter.
Noch kommt diese Preisexplosion bei den Verbrauchern nicht mit voller Wucht an. Doch die Tendenz nach oben ist eindeutig: Nahrungsmittel kosteten die Verbraucher im Februar immerhin schon 5,1 % mehr als im vorigen Jahr, bei Fleisch lag der Aufschlag bei 4,1 %, bei Milch bei 6,2 % und bei Brot bei 5,2 %. Auch hier sind die Preise für Pflanzenöle mit 19 % am stärksten gestiegen.
Deutschland ist keine Insel – sondern Exporteur
Schaut man auf die nominelle Selbstversorgung mit Lebensmitteln, dann dürfte das in diesem Ausmaß nicht der Fall sein. Denn Deutschland steht eigentlich (auf dem Papier) versorgungstechnisch sehr gut da. So haben die Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) und das Bundesministerium für fast alle wichtigen Hauptprodukte eine mehr als ausreichende Versorgung ausgerechnet, die über 100 % liegt. Das trifft für solch wichtige Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Getreide, Fleisch und Milch zu - und auch für Zucker (siehe Grafik).
Eine Versorgungslücke gibt es danach jedoch bei Eiern, sowie bei Obst und Gemüse. Doch die Preise sprechen eine andere Sprache und sie sagen „diese Produkte sind im Moment sehr knapp“. Wohl auch weil Deutschland in vielen Bereichen ein großer Exporteur ist und den Weltmarkt bzw. andere Länder, die das nicht können, mit Getreide, Fleisch und Milch versorgt.
Der Krieg am Schwarzen Meer trifft unsere Versorgung deshalb nicht direkt. Doch indirekt fallen die beiden Schwarzmeerländer als Lieferanten für viele große Importländer von Nahrungsmitteln und Futter komplett aus – vor allem bei Getreide. Bei Sonnenblumenöl haben das die Menschen in Deutschland seit dem Ausfall der Ukraine bereits selbst gespürt. Die Folgen sind immense Verschiebungen der Handelsströme und eben weltweit steigende Preise für fast alle Agrarprodukte.
Vorige Woche hat der Discounter Aldi bereits auf diese Entwicklung reagiert und die Lebensmittelpreise deutlich nach oben angepasst. Das bestätigte eine Sprecherin der Unternehmensgruppe Aldi Süd jetzt auch dem Redaktionsnetzwerk RND. „Die Situation in der Ukraine führt zu zusätzlichen Herausforderungen in den Lieferketten und bei der Rohstoffbeschaffung“, erklärte sie. Das wirke sich auch auf das Sortiment in Form von steigenden Einkaufspreisen aus.
In Deutschland droht kein Mangel - vorerst, sagen die Experten
Der Agrarökonom Matin Qaim, Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn, sieht die Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland gesichert. Er sagt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wir werden vorübergehend mehr für Lebensmittel bezahlen müssen, aber die Versorgung ist insgesamt gesichert.“ Grund für Hamsterkäufe gebe es definitiv nicht.
Bauernpräsident Joachim Rukwied rechnet ebenfalls nicht mit Ausfällen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Er sagte dem RND: „Die Versorgung sehe ich bis zum Frühjahr 2023 gesichert. Für den Zeitraum danach wage ich keine Prognose“.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir warnte Verbraucherinnen und Verbraucher zudem vor Hamsterkäufen. „Das würde erst recht dafür sorgen, dass die Preise durch die Decke schießen und die Händler Produkte rationieren.“
Hat Deutschland ausreichend Lebensmittel? - Die Versorgungslage - agrarheute.com
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