Stand: 19.04.2021 15:15 Uhr
Der Lebensmittelhandel boomt - auch deswegen, weil viele andere Läden schließen mussten, wie das Beispiel der Kette Rewe zeigt. Der Liefer-Trend stellt die Händler aber auch vor Probleme.
Von David Zajonz, WDR
Wirtschaftliche Jubel-Meldungen von Unternehmen sind in der aktuellen Zeit eher selten. Die Kölner Rewe-Group konnte sie heute verkünden. Das Einzelhandelsunternehmen verzeichnete im Corona-Jahr 2020 ein Umsatzplus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Teil davon geht zwar auf die Übernahme des Großhändlers Lekkerland zurück, doch alleine im Supermarktgeschäft verbucht Rewe in Deutschland einen Zuwachs im zweistelligen Bereich.
Viel Umsatz abseits von Lebensmitteln
Branchenweit spricht der Handelsverband Deutschland von einem Umsatzplus von acht Prozent im Lebensmittelhandel, während gleichzeitig etwa Kleidungsgeschäfte dramatische Verluste hinnehmen müssen. Die Supermärkte profitierten davon, dass andere Einzelhändler ihre Läden zeitweise schließen müssen, sagt Gerrit Heinemann, Handelsexperte an der Hochschule Niederrhein: "Im Lebensmittel-Einzelhandel werden je nach Händler zehn bis 50 Prozent der Umsätze mit Produkten gemacht, die keine Lebensmittel sind."
"Ein bisschen unfair"
In den großen Rewe-Centern beispielsweise können Kunden von Bratpfannen bis hin zu Schuhen viele Alltagsprodukte kaufen. Während Küchenausstatter oder Schuhgeschäfte in den Lockdown gingen, durften die Rewe-Märkte in der Pandemie durchgehend geöffnet bleiben. Das sei tatsächlich "ein bisschen unfair", sagt der Rewe-Vorstandsvorsitzende Lionel Souque: "Wenn ich Textilfilialist wäre, würde ich das auch nicht verstehen."
Rewe selbst habe davon aber nur leicht profitiert, denn in vielen kleineren Filialen werde kein derart breites Produktsortiment angeboten. Dennoch ist der Effekt spürbar. Souque bestätigt, dass sich die großen Rewe-Center in der Pandemie besser entwickelt haben als die klassischen Supermärkte.
"Homeoffice-Effekt" bei Online-Lieferungen
Daneben habe der Lebensmittelhandel auch von der Schließung der Gastronomie profitiert, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann: "Die Menschen haben vermehrt Essen und Getränke im Supermarkt eingekauft." Hinzu komme der "Homeoffice-Effekt". Wer zu Hause arbeite, müsse mehr im Supermarkt einkaufen: "Allein schon Toilettenpapier".
Ein weiterer großer Trend ist das boomende Geschäft mit Lebensmittel-Lieferungen. Zwar lassen sich Verbraucher noch immer viel eher Bücher als Kartoffeln nach Hause schicken. Doch das Corona-Jahr habe zu einem "Dammbruch" geführt, sagt Handelsexperte Heinemann, der Anteil online gekaufter Lebensmittel sei stark gewachsen: "Allerdings von einem sehr niedrigen Niveau kommend - auf jetzt nur gut ein Prozent des gesamten Marktes."
Die Lebensmittel-Lieferungen sind - zumindest für Rewe - ein Verlustgeschäft: "Wir verlieren weiterhin Geld, aber das muss man nicht negativ sehen", sagt Vorstandschef Souque: "Wir sehen das als Investition in die Zukunft."
Konkurrenz wächst
Die Hoffnung auf ein weiteres Wachstum im Online-Handel lässt immer mehr Akteure in den Markt strömen. "Instant-Lieferdienste" wie Gorilla und Flink versprechen in einigen Großstädten Lebensmittel-Lieferungen innerhalb von zehn Minuten ab Bestellung. Allerdings sei es für die Lieferdienste in Deutschland fast unmöglich, profitabel zu arbeiten, glaubt Handelsexperte Heinemann: "Die Margen im Lebensmittel-Einzelhandel sind sehr gering." Die Verbraucher seien wegen der vielen Discounter günstige Preise gewohnt. Damit seien die hohen Zustellkosten für die Händler kaum zu bewältigen. In der Tat sei es schwierig, "wenn Kunden drei Kisten Cola im Angebot in den vierten Stock bestellen", gibt Rewe-Chef Souque zu.
Andererseits hat die Corona-Pandemie den Lebensmittel-Lieferanten viele neue Kundinnen und Kunden gebracht. Der Kuchen wächst also, und alte wie neue Marktakteure wollen ihren Teil davon abhaben. Er glaube nicht, dass der Online-Anteil im Lebensmittelbereich in den nächsten Jahren über zehn Prozent des Gesamtumsatzes steigen werde, sagt Branchenexperte Heinemann: "Aber selbst dann würden Lebensmittel zu den größten Online-Warengruppen gehören." Supermarktketten und Start-ups werden sich also wohl trotz aller Schwierigkeiten weiter in den Kampf um Online-Kunden stürzen.
Lebensmittel-Einzelhandel: Supermärkte als Krisengewinner | tagesschau.de - tagesschau.de
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