Großbritanniens Brexit zieht sich in die Länge: Zwar war der Austritt aus der EU bereits im Januar 2020. Doch bis die Auswirkungen dieser Entscheidung die Wirtschaft voll treffen, wird nach dem heutigen Stand keine konservative Regierung mehr die Konsequenzen tragen müssen, sondern eine Labour-geführte. Bis spätestens Januar 2025 muss gewählt werden.

Dies gilt auch für die neuen Grenzkontrollen, die Großbritannien nach dem Brexit eigentlich bei der Einfuhr von Lebensmitteln und Pflanzen aus der EU durchführen müsste. Kontrollen, bei denen zum Beispiel geprüft wird, ob Pflanzen von Schädlingen befallen sind oder ob Fleisch-, Milch, Fisch und Honig den gesundheitlichen und hygienischen Anforderungen des Einfuhrlandes entsprechen. Der Vorgang ist kompliziert, langwierig und daher teuer. Die EU hat die Kontrollen nach der Brexit-Übergangsphase am 1. Januar 2021 eingeführt – Großbritannien nicht.

Im nordfranzösischen Calais wird also schon geprüft. Dort müssen Inspektionsstellen die Konformität der britischen Produkte absegnen und die Einfuhr der Waren in die EU – unabhängig vom Zoll – genehmigen. Anderenfalls muss der Lastwagen wieder umkehren und nach Großbritannien zurückfahren. Oder die Ware wird vernichtet. Der Export muss mindestens einen Tag vor Grenzübertritt angekündigt und auf der europäischen Onlinedatenbank TRACES eingetragen werden. Ohne das mit dem System generierte Gesundheitseingangsdokument gibt es keine Abfertigung der Waren. 

Die Kontrollen und die Komplexität des Systems haben unter anderem dazu geführt, dass der Export von Lebensmitteln und lebenden Tieren von Großbritannien in die EU seit September 2020 von monatlich 870 auf 704 Millionen Pfund, also um 19 Prozent gesunken ist. Dies, obwohl die Tendenz in den Jahren zuvor steigend war.

Fünfmal hat die Regierung die Grenzkontrollen verschoben

Die gleichen Kontrollen hat die britische Regierung auf ihrer Seite immer wieder hinausgezögert. Zum einen, weil sie ein verschlanktes System für den EU-Import konzipieren und sie ihren Importeuren mehr Zeit für die Umstellung geben wollte. Vor allem aber hätte die Einführung von Kontrollen gezeigt, dass der Handel mit der EU nach dem Brexit eben nicht reibungslos funktioniert – so, wie es der konservative Ex-Premier Boris Johnson noch behauptet hatte. 

Die Konsequenz ist freilich, dass zum Ärger der britischen Landwirtschaft EU-Produkte ungehindert und unkontrolliert auf den britischen Markt gelangen. Der Import von Lebensmitteln und lebenden Tieren stieg daher seit September 2020 von 2,46 Milliarden Pfund auf 3,07 Milliarden Pfund, also um 24,8 Prozent, obwohl der Markt vor dem Brexit seit Jahren stagnierte.

Im August verschob die Regierung die Grenzkontrollen ein fünftes Mal. Sie werden nun gestaffelt eingeführt, Produkte in drei Risikokategorien aufgeteilt. Bienen und rohe Eier gehören zum Beispiel in die hohe Risikoklasse; Milch, Fisch und Fleisch in die mittlere Kategorie; Hundefutter in Dosen und Honig zum Beispiel in die niedrige Risikokategorie.

Ab dem 31. Januar 2024 müssen Transportunternehmen bei Produkten der mittleren und hohen Risikoklasse Gesundheitsbescheinigungen vorlegen. Produkte der niedrigen Risikokategorie brauchen diese nicht. Jedoch müssen sämtliche Waren vorangemeldet werden, mit entsprechenden Zoll- und Handelsdokumenten. Ihre Kontrolle beginnt ab April 2024, Produkte der hohen Risikoklasse werden allerdings jetzt schon geprüft. Vom 31. Oktober 2024 an müssen die Transportunternehmen beim Grenzübertritt auch Waren- und Sicherheitserklärungen präsentieren. Für den Handel zwischen Nordirland und Großbritannien gelten Sonderbestimmungen.