Der tägliche Einkauf bestätigt es: Lebensmittel werden weiterhin immer teurer. Nach den Worten von Michael Schrodi, des finanzpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, stellen „die hohen Preise für Menschen bis in die Mitte der Gesellschaft eine große Belastung“ dar. Laut dem aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ bildet die hohe Inflation für die Befragten gegenwärtig einen größeren Grund zur Beunruhigung als die Klima- und Energiepolitik: 20 Prozent zeigten sich wegen der Preissteigerungen beunruhigt, 19 Prozent wegen der Klima- und Energiepolitik.
Man müsse daher „laufend prüfen, ob und wie wir die Menschen gezielt entlasten können“, sagte Schrodi dem Tagesspiegel. Ob eine solche Entlastung durch bloße Appelle an Konzerne in der Lebensmittelbranche oder durch eine Senkung der Mehrwertsteuer zu erreichen ist, ist aber umstritten.
Laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes stiegen die Nahrungsmittelpreise im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat überdurchschnittlich um 13,7 Prozent. In der gegenwärtigen Debatte über die Ursachen der jüngsten Erfolge der AfD, in der es eher um Themen wie Heizungsgesetz oder Migration geht, sind die steigenden Lebensmittelpreise dennoch unbelichtet.
Die Gas- und Strompreisbremse war und ist ein wirksames Mittel, um die Energiekosten der Lebensmittelproduktion einzudämmen.
Stephanie Aeffner, Berichterstatterin der Grünen-Fraktion für Sozialpolitik
Dabei treffen die steigenden Preise der Nahrungsmittel sowohl untere Einkommensschichten, die einen großen Anteil ihres Haushaltseinkommens dafür berappen müssen, aber eben auch die Mittelschicht. Laut einer Studie des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) profitierten Familien aus der Mittelschicht seit dem Beginn des Ukraine-Krieges weniger von staatlichen Maßnahmen wie der Wohngeld-Erhöhung als die unteren Einkommensgruppen.
Angesichts der hohen Umfragewerte für die AfD erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jüngst, man müsse „Lösungen anbieten“. Dazu zählte der CSU-Chef unter anderem eine Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel.
Für Grundnahrungsmittel gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Söder verschwieg indes, dass Bayern im Fall einer weiteren Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel auf einen Teil der Steuereinnahmen verzichten müsste, die auch den Bundesländern zugutekommt.
Für den SPD-Finanzpolitiker Schrodi steht derweil fest, dass an dem ermäßigten Satz von sieben Prozent nicht gerüttelt werden soll. „Eine weitere Mehrwertsteuersenkung wäre das Gegenteil einer zielgerichteten Maßnahme, sondern Entlastung mit der Gießkanne, denn auch die Bezieher höchster Einkommen würden davon profitieren“, sagte er zur Begründung.
Stattdessen kritisierte er, „dass Unternehmen ihre Lebensmittelpreise stärker erhöht haben, als es ihre gestiegenen Kosten erfordert hätten“. Solche Mitnahmeeffekte hätten zu einem Teil zu den höheren Preisen an der Supermarktkasse beigetragen, monierte Schrodi.
13,7
Prozent betrug die Inflationsrate bei Lebensmitteln im Juni im Vergleich zum Vorjahr.
Auch Stephanie Aeffner, die Berichterstatterin der Grünen-Fraktion für Sozialpolitik, vertritt die Ansicht, dass Mehrwertsteuersenkungen oder Preisdeckel für Lebensmittel „keine zielgerichteten Hilfen für Menschen mit wenig Geld“ darstellten. „Söders Forderung ist typisches Wahlkampfgetöse und keine sinnvolle sozialpolitische Maßnahme“, lautet ihr Urteil.
Nach den Worten von Aeffner ist dagegen die Gas- und Strompreisbremse weiter ein wirksames Mittel, um die Energiekosten der Lebensmittelproduktion einzudämmen und die Inflation zu begrenzen. Zudem gelte es, den Mindestlohn „wirklich armutsfest“ zu machen und mit der Einführung der Kindergrundsicherung mit einer Neuberechnung des Existenzminimums für Kinder dafür zu sorgen, dass Kinder und ihre Familien bis in die Mitte der Gesellschaft hinein besser unterstützt würden, sagte Aeffner weiter.
Allerdings ist Söders Vorschlag einer Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel nicht völlig praxisfern. Wegen der hohen Inflation verlangt etwa der spanische Staat für Brot, Milch, Käse, Obst, Gemüse und Getreide gar keine Mehrwertsteuer. Für Speiseöl und Nudeln wurde der Satz von zehn auf fünf Prozent gesenkt. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher in dem iberischen Land bedeutete das zwischen Januar und April nach Behördenangaben eine Ersparnis von insgesamt 245 Millionen Euro.
Ursprünglich sollte in Spanien die Aussetzung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel nur für ein halbes Jahr gelten. Ende Juni verkündete dann aber Wirtschaftsministerin Nadia Calvino eine Verlängerung um weitere sechs Monate. Mittlerweile ist die Inflation für sämtliche Güterarten in Spanien wieder merklich zurückgegangen. Im Sommer 2022 hatte die Preissteigerungsrate dort noch einen Spitzenwert von 10,8 Prozent erreicht. Im Juni betrug die Teuerungsrate nur noch 1,6 Prozent.
Bei der Ampelkoalition gilt angesichts der hohen Lebensmittelpreise derweil das Prinzip Hoffnung. Die hohen Kosten für Nahrungsmittel seien vor allem eine Folge der massiv gestiegenen Energiepreise, sagte der SPD-Finanzpolitiker Schrodi. Seitdem im vergangenen Jahr zwei Entlastungspakete mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro mit Maßnahmen wie Kinderbonus, Einmalzahlung zur Grundsicherung und Heizkostenzuschuss beschlossen wurden, sind die Energiepreise wieder gesunken. Die gefallenen Energiepreise würden sich „zeitversetzt auch in sinkenden Lebensmittelpreisen niederschlagen“, erwartet Schrodi.
Steuersenkungen bei Lebensmitteln?: Die hohen Preise treffen auch die Mitte der Gesellschaft - Tagesspiegel
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