„Wenn du die Gesellschaft nur Geld kostest, weil du dich krank gefressen hast, dann hat die Gesellschaft das Recht, dich zu sanktionieren“: Mit deutlichen Worten fordert Tim Raue mehr staatliche Regulierung bei Lebensmitteln - auch wenn der Sternekoch selbst nur bedingt zum Vorbild taugt.
Für seine unverblümte Art ist Tim Raue ebenso bekannt für seine herausragende Küche. Blickt der Berliner Sternekoch auf die vorherrschenden Essgewohnheiten in Deutschland, ist sein Zorn offenbar kurz vor dem Überkochen.
Den Eindruck legt ein Interview nahe, das der 48-Jährige jüngst dem „Spiegel“ gab. Besonders der zu hohe Zuckerkonsum regt den Küchenchef auf.
Deutschland sei ein „überbürokratisiertes Land“, schimpft Raue eingangs des Gesprächs. „Es gibt hier für jeden Scheiß eine Verordnung. Drogen sind verboten, der Alkohol- und Nikotinkonsum wird reguliert genauso wie Medikamente. Nur Zucker nicht.“
Dabei wisse jeder, der sich auch nur ein bisschen mit Essen auseinandersetze, dass nichts so schnell und direkt ins Blut gelange wie Zucker.
Heute hat „alles Glutenunverträglichkeit, Laktoseintoleranz, Histaminose“
Seit den 70er-Jahren, erklärt Raue, gelangten immer mehr industriell verarbeitete Lebensmittel auf die Teller der Deutschen. Dass frisch gekocht werde, sei inzwischen die Ausnahme. Auch er selbst habe als Kind „höchstens alle sechs, sieben Wochen“ frisches Essen statt Fertigprodukten zubereitet bekommen.
In der Konsequenz habe er nun „alles: Glutenunverträglichkeit, Laktoseintoleranz, Histaminose“. Raue ist sich sicher: „Würden wir als Kinder ebenso von bestimmten Lebensmitteln ferngehalten werden wie von Drogen, Zigaretten und Alkohol, dann wäre das ein großer Beitrag für die Allgemeinheit.“
„Alle sind so politisch korrekt geworden, man darf gar nicht mehr sagen: Das solltest du besser nicht essen“
Auf die Frage, ob hier der Staat stärker gefordert sei, antwortete der TV-Koch ("The Taste", „Ready to Beef“) im „Spiegel“-Interview: „Klar! Ein Staat, der für die Sicherheit seiner Bürger verantwortlich ist, sollte es auch für deren Gesundheit sein. Wir könnten die Milliarden, die wir ins Gesundheitssystem pumpen, drastisch reduzieren, wenn wir Lebensmittel verbieten würden, deren Zuckeranteil fünfmal so hoch ist wie die pro Tag maximal empfohlene Menge.“
Er selbst habe eine Zeit lang unter wirklich „sattem Übergewicht“ gelitten: „Ich schaffte es nicht allein, etwas zu ändern, weil ich nicht willensstark genug war.“
Raue: Depression lag auch an schlechter Ernährung
Die Erkenntnis, dass er sich selbst schade, habe er „gnadenlos ignoriert, weil ich die Völlerei genoss. Das war meine Form der Selbstliebe.“
Später habe er erkannt, dass seine schweren Depressionen in seinen 30er-Jahren wohl auch auf schlechte Ernährung zurückzuführen waren.
Tim Raue: „Kann nicht Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger spielen“
Auch heute noch fröne er so mancher kulinarischen Sünde einschließlich einer „gewaltigen Obsession für Frittiertes“. Mit 15 Kilo über Idealgewicht könne er auch nicht den „Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger spielen“. Sich „gegenseitig in Watte zu packen“, bringe jedoch auch nichts.
„Alle sind so politisch korrekt geworden, man darf gar nicht mehr sagen: Das solltest du besser nicht essen“, erregt sich Raue.
„Sondern es heißt jetzt immer: Man muss alle so lassen, wie sie sind. Völliger Schwachsinn. Wir sind als Gesellschaft ja keine wohltätige Vereinigung, sondern füreinander verpflichtet. Und wenn du die Gesellschaft nur Geld kostest, weil du dich krank gefressen hast, dann hat die Gesellschaft das Recht, dich zu sanktionieren, finde ich.“
Tim Raue platzt vor Wut, weil Zucker in Deutschland nicht verboten ist - FOCUS Online
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