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Friday, January 6, 2023

Wie die Schweiz globalen Krisen trotz - Wirtschaft - SZ.de - Süddeutsche Zeitung - SZ.de

Für die Schweizer Industriekonzerne war 2022 ein merkwürdiges Jahr. Zunächst einmal war da der starke Franken, der schon seit Längerem an Wert gegenüber dem Euro gewinnt, im letzten Jahr aber noch einmal ordentlich zulegte. Eigentlich mag die exportstarke Schweizer Industrie, zu der Schwergewichte wie ABB, der Aufzughersteller Schindler oder der Maschinenbauer Liebherr zählen, solche Kursentwicklungen nicht. Ein starker Franken macht ihre Produkte im Ausland teurer. Doch diesmal ist alles ein wenig anders.

Die Lieferkettenprobleme seit der Corona-Pandemie, die hohen Rohstoffpreise und vor allem der Krieg in der Ukraine haben in der Euro-Zone und in den USA eine rekordhohe Inflation ausgelöst. Knapp acht Prozent waren es in Deutschland übers Jahr 2022 gerechnet, in den USA lag sie zuletzt bei gut sieben. Und in der Schweiz? Betrug die durchschnittliche Inflation 2022 gerade einmal 2,8 Prozent. Für die dortigen Industriekonzerne ein Vorteil: Dank der großen Inflationsdifferenz können sie ihre Preise in der Euro-Zone an den starken Franken anpassen und bleiben trotzdem konkurrenzfähig. Zusätzlich profitieren sie von einer günstigeren Beschaffung.

Wieder einmal also wird die Schweiz ihrem Ruf als Insel gerecht: Während ihre wichtigen Wirtschaftspartner EU und USA unter dem starken Anstieg der Preise ächzen, verzeichnete die Eidgenossenschaft mit 3,5 Prozent im August zwar auch die höchste Inflationsrate seit knapp 30 Jahren, doch die Teuerung ist angesichts der weltwirtschaftlichen Lage noch moderat. Und soll es laut Schweizerischer Nationalbank (SNB) auch bleiben: Die Währungshüter prognostizieren für 2023 eine durchschnittliche Inflation von 2,4 Prozent.

Wie kommt es, dass sich die Schweiz der Inflationsdynamik in ihrem Umfeld derart entziehen kann? Drei Ursachen lassen sich ausmachen:

Die starke Währung

Der Franken gilt schon lange als sicherer Hafen für Anleger, in ihm spiegelt sich die leistungsstarke und robuste Schweizer Wirtschaft sowie die Stabilität des Landes. In Krisenzeiten wie jetzt steigt die Nachfrage nach der eidgenössischen Währung und damit ihr Wert besonders - was für die exportorientierten Unternehmen im Land immer wieder zum Problem wird. Die SNB hat deshalb ein paar Tricks auf Lager, mit denen sie versucht, die Landeswährung nicht zu stark werden zu lassen: In den vergangenen Jahren hat sie im großen Stil Franken gegen ausländische Währungen getauscht, um den Kurs zu drücken. Diese Devisen hat sie in Aktien und Anleihen angelegt und fährt damit je nach nach Marktlage milliardenschwere Gewinne oder Verluste ein. Doch egal, wie es läuft: Das Hauptziel der SNB bleibt ein nicht zu starker Franken.

Zuletzt ist die Nachfrage aber trotzdem so gestiegen, dass der Frankenkurs historische Höchststände erreichte: Zeitweise kostete ein Euro weniger als 95 Rappen. Zu Beginn des Jahres 2022 war es noch umgekehrt. Diese Entwicklung - im Moment liegt der Kurs bei immer noch gut 98 Rappen - ärgert zwar die Exporteure, doch für die Preisstabilität im Land ist sie ein Segen. Denn wenn der Franken stark ist, werden die Importe billiger. Die hohen Preise im europäischen Ausland schlagen deshalb nur begrenzt auf die Preise in der Schweiz durch.

Weniger abhängig von Öl und Gas

Der wohl wichtigste Inflationstreiber im vergangenen Jahr waren die hohen Energiekosten. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine trieb die Preise für Öl und Gas in die Höhe, weshalb sich die Situation vor allem in Staaten wie Deutschland verschärfte, wo fossile Energien eine dominierende Rolle spielen. Die Schweiz steht in dieser Hinsicht besser da als viele Länder Europas: Natürlich verbraucht auch sie Unmengen an Öl und Gas, insbesondere für Heizung und Verkehr, doch was den Stromverbrauch angeht, deckt das Land seinen Bedarf zu knapp 90 Prozent mit Wasserkraft und Kernenergie. Vergleicht man zudem die Warenkörbe, mit denen Länder ihre Inflationsraten berechnen, zeigt sich auch dort, dass Schweizerinnen und Schweizer weniger auf fossile Energien angewiesen sind als etwa Deutsche. Im Korb der Schweiz machten die Kosten für Haushaltsenergie Ende 2022 nur 3,5 Prozent aus, im deutschen Warenkorb waren es fast 7 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Schweiz eine relativ hohe CO₂-Steuer sowie staatliche Abgaben auf Diesel und Benzin verlangt. Damit lenkt sie nicht nur den Verbrauch fossiler Energien, sondern sorgt auch dafür, dass der Endverbraucherpreis weniger den Schwankungen der Weltmärkte ausgesetzt ist als anderswo.

Stark geschützter Lebensmittelmarkt

Die dritte Ursache für die niedrige Inflation in der Schweiz klingt erst einmal paradox: Es sind die auch sonst hohen Preise für Nahrungsmittel. Weil die Schweiz ihren Lebensmittelmarkt über Zölle und Subventionen stark vor ausländischer Konkurrenz schützt, wirken sich die weltweit steigenden Preise weniger drastisch auf das schweizerische Preisniveau aus. Auch wenn importiertes Obst, Gemüse oder Getreide nun teurer ist, spüren das die Verbraucher vergleichsweise wenig, da dafür im Gegenzug die Zölle sinken.

So manche Härte, die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, Frankreich oder Italien erleben, bleibt den Menschen in der Schweiz also erspart. Und doch: Das Land ist nicht wirklich eine Insel, sondern wirtschaftlich eng verflochten mit der EU, Asien und Amerika. Analysten erwarten deshalb auch für die Schweiz, dass sich - neben einer anhaltenden moderaten Inflation - das Wirtschaftswachstum abschwächen wird. Die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft prognostiziert für 2023 "ein deutlich unterdurchschnittliches Wachstum" von 1,0 Prozent, gefolgt von 1,6 Prozent im kommenden Jahr.

Für manche Wirtschaftszweige ist es jetzt schon brenzliger, als es die Schweizer Durchschnittszahlen vermuten lassen. Roger Wehrli, Experte für Wirtschaftspolitik beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, verweist etwa auf die Bauunternehmen: "In der Baubranche sind die Preissteigerungen deutlich höher." Die Branche sei sehr energieintensiv, leide also unter den hohen Energiekosten, und ist abhängig von Rohstoffen wie Holz und Stahl, die derzeit knapp und teuer sind.

Auch sonst zeige sich inzwischen, dass in Europa Krisenstimmung herrsche, so Wehrli. "Bei Investitionen spürt man immer mehr Zurückhaltung." Das bestätigt auch der Verband der Schweizer Metall-, Elektro- und Maschinenbauindustrie (Swissmem), der wichtigsten Exportbranche des Landes nach der Pharmaindustrie. Schon im dritten Quartal 2022 seien die Aufträge um mehr als 12 Prozent zurückgegangen. "Der Abschwung hat die Schweizer Industrie klar erreicht", heißt es in einer Mitteilung.

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