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Friday, January 13, 2023

Lebensmittel aus der Mülltonne - Containern soll nicht mehr bestraft werden - Deutschlandfunk

Ein Schild mit der Aufschrift "Gerettetes Essen zu verschenken" und zahlreiche Lebensmittel liegen auf einem Tisch am Stand der Klimaaktivisten von der Initiative "Aufstand der letzten Generation".
Noch genießbare Lebensmittel landen zu oft im Müll (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Monika Skolimowska)

Lebensmittelverschwendung ist zwar ein großes Thema in Deutschland und soll reduziert werden. Doch abgelaufene Lebensmittel aus den Müllcontainern von Supermärkten zu fischen und sie zu "retten" ist in Deutschland illegal. Mehrere Initiativen, die das bundesweit ändern wollten, sind bisher gescheitert. Jetzt gibt es einen erneuten Vorstoß - aus der Politik.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) werben dafür, dass niemand mehr bestraft wird, der "containert", also noch genießbare Lebensmittel aus Abfallcontainern von Unternehmen holt. In einem Schreiben an die Landesjustizminister setzen sich der FDP- und der Grünen-Politiker für einen Vorschlag aus Hamburg von 2021 ein.

Dieser sieht eine Änderung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren vor, die von den Ländern beschlossen werden könnte. Eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ist vorerst nicht geplant. Strafen wie zum Beispiel Bußgelder sollen demnach nur noch erfolgen, wenn für das Erreichen von Abfallcontainern Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung begangen wurde.

Das heißt konkret: Wer über eine niedrige Mauer steigt, um an den Abfallcontainer des Supermarktes zu gelangen und Lebensmittel mitnimmt, soll dafür nicht wegen Diebstahls belangt werden. Wer auf der Suche nach noch verzehrfähigen Lebensmitteln ein Tor aufhebelt und beschädigt, müsste dagegen weiterhin mit einer Strafe rechnen.

Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem in Deutschland. Laut Daten des Stastistischen Bundesamtes landen jährlich circa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Die alte Bundesregierung hatte Anfang 2019 das Ziel ausgegeben, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Sie setzte dabei allerdings bei Industrie, Einzelhandel und Privatpersonen auf Freiwilligkeit.

Buschmann und Özdemir betonten, ihre Inititiative könne ein Baustein im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung sein. Allerdings landet hierzulande ein Großteil der Abfälle - fast 60 Prozent - in den Mülleimern der privaten Haushalte. Jeder Verbraucher in Deutschland wirft demnach im Schnitt 78 Kilogramm pro Jahr weg. Im Lebensmittelhandel entstehen dagegen nur 7 Prozent (rund 1 Million Tonnen) der Lebensmittelabfälle - etwa durch zu große Bestellmengen, die nicht vollständig verkauft werden.

Grafik zeigt Lebensmittelabfälle in Deutschland: 11 Mio. Tonnen pro Jahr gesamt, davon 59%, 6,5 Mio. Tonnen in privaten Haushalten, 17%, 1,9 Mio. Tonnen, beim Außer-Haus-Verpflegung, 7%, 0,8 Mio. Tonnen, im Handel, 15%, 1,6 Mio. Tonne,n bei der Verarbeitung, 2%, 0,2 Mio. Tonnen, bei der Primärproduktion

Das Gros der Lebensmittelverschwendung wird man daher durch Containern nicht lösen können - auch, weil viele Lebensmittelhändler bereits freiwillig Tafeln und andere Projekte unterstützen. In Frankreich sind Supermärkte ab einer bestimmten Größe sogar verpflichtet, abgelaufene Lebensmittel an Hilfsorganisationen abzugeben. In Tschechien gibt es eine ähnliche Regelung.

Wenn Menschen Lebensmittel, die nicht mehr verkäuflich, aber noch essbar sind, aus Abfallbehältern der Supermärkte holen, ist das in Deutschland Diebstahl. Weggeworfene Lebensmittel sind Müll. Aber das heißt nicht, dass es kein Eigentum mehr wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2020 bestätigt: Auch das Eigentum an Müll ist geschützt. Die Richter wiesen damals die Verfassungsbeschwerde von zwei Studentinnen mit Blick auf die geltende Rechtslage zurück und signalisierten gleichzeitig, dass sich diese Rechtslage vielleicht besser ändern ließe.

Sozialpsychologe Andreas Zick weist in Dlf Kultur auch auf den gesellschaftlichen Aspekt hin: "Wir wissen aus der Forschung, dass Armut, dass auch so etwas wie Containern mit Scham belegt ist. Viele arme Menschen schämen sich, sie wissen, dass das sogar strafrechtlich verfolgt werden kann. Ich finde es eine wirklich gute Idee, weil es Handlungsfähigkeit ermöglicht bei den Menschen, die an der Armutsgrenze leben."

Supermärkte laufen Gefahr, haftbar gemacht zu werden, wenn sich Menschen zum Beispiel an verdorbenen Lebensmitteln vergiften oder beim Beschaffen der Lebensmittel verletzen. Rechtliche Lösungen seien hier schwierig, sagte die grüne Rechtspolitikerin Canan Bayram im Dlf. Schließlich wolle man auch nicht, dass Supermärkte ihren Müll einfach auf die Straße stellen.

Noch ist nichts entschieden. Die beiden Minister haben bisher nur einen Brief an die Justizministerinnnen und Minister der Länder geschrieben. Sie wollen nicht das Strafrecht ändern, sondern raten den Bundesländern, von Strafverfolgung abzusehen. Nach ihrer Vorstellung sollen die Bundesländer die Richtlinien für das Strafverfahren so ändern, dass Verfahren wegen Diebstahls oder Diebstahls geringwertiger Sachen in der Regel eingestellt werden. Das klingt pragmatisch und ist nach wie vor umstritten.

Ähnlich läuft es auch bei der Strafverfolgung beim Besitz von Cannabis. Es ist bis heute strafrechtlich verboten, Cannabis zu besitzen, aber der Besitz wird bis zu einer Bagatellgrenze strafrechtlich in der Regel nicht verfolgt. In jedem Bundesland gibt es dazu unterschiedliche Regelungen. Die Landesjustizminister wollen sich voraussichtlich Anfang des Jahres mit dem Thema Containern befassen.

Quellen: Gudula Geuther, Dirk-Oliver Heckmann, Statistisches Bundesamt, BMEL, dpa, og

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