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Monday, December 19, 2022

Streit um Nährwert-Tabelle: Bundesregierung will EU-weite Einführung - und bekommt Widerstand - Tagesspiegel

Rund 40 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel tragen in Deutschland auf den Packungen einen Ampel-Aufdruck, der den Nährwert kennzeichnet. Der so genannte Nutri-Score mit fünf Stufen und einem einfachen Farbsystem, das von Dunkelgrün bis Dunkelrot reicht, soll nach dem Willen des Bundesagrarministeriums in der gesamten EU eingeführt werden. Allerdings wird das nicht überall in der Gemeinschaft der 27 Staaten genauso gesehen – mit dem Ergebnis, dass dem in Deutschland vor zwei Jahren auf freiwilliger Basis eingeführten Farbsystem eine weitere Entwertung droht.

Beim letzten EU-Agrarministerrat in der vergangenen Woche in Brüssel fand die Berliner Staatssekretärin Ophelia Nick deutliche Worte. Die EU-weite Einführung von Packungsaufdrucken, an denen Verbraucherinnen und Verbraucher den Nährwert von Lebensmitteln ablesen können, sei „ein wichtiger Schritt zur Unterstützung einer gesunden Ernährungsweise“, sagte die Grünen-Politikerin.

Der Nutri-Score soll helfen, beim Einkauf ähnliche Lebensmittel mit Blick auf den Nährwert unterscheiden zu können. Die Angaben auf den Packungen sollen dazu beitragen, Probleme des Übergewichts in der Bevölkerung zu verringern. Vor allem Männer sind davon betroffen.

Allerdings gibt es immer wieder Kritik am Nutri-Score, bei dem nach den Worten des EU-Abgeordneten Martin Häusling beispielsweise „Cola light“ zu gut wegkomme. „Eine ,Cola Light’ enthält null Nährwert“, so Häusling.  Zudem sei der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln nicht ersichtlich. Außerdem lasse sich nicht ablesen, ob ein Lebensmittel biologisch erzeugt wurde oder nicht.

Moniert wird auch immer wieder, dass beispielsweise Tiefkühlpizzas im Nutri-Score zu gut abschneiden. Hinzu kommt, dass viele Verbraucher den Nutri-Score missverstehen und darauf setzen, allein mit dem grünen A gekennzeichnete Lebensmittel zu kaufen. Sie übersehen dabei aber, dass die Farbtabelle vor allem dazu dient, den Nährwert von verarbeiteten Lebensmitteln innerhalb einer bestimmten Produktgruppe miteinander zu vergleichen. Für die Gesundheit ist am Ende aber eine möglichst vielfältige Ernährung entscheidend.

Auch Frankreich, die Niederlande und Belgien machen sich für die Farbtabelle stark

Inzwischen haben die Verfechter des Farbtabellen-Systems, zu denen auf EU-Ebene neben Deutschland auch Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg gehören, nachgebessert. Im kommenden Jahr steht eine Reform des Nutri-Score an. Stark zuckerhaltige oder salzige Produkte sollen dann anders gekennzeichnet werden, entsprechend der Ernährungsrichtlinien, nach denen diese Produkte nur in Maßen verzehrt werden sollen. Beispielsweise Tiefkühlpizzas kommen dann in der Bewertung schlechter weg als bisher.

Angesichts der Verbesserungen am Ampel-System hält es Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg für sinnvoll, den Nutri-Score EU-weit einzuführen. „Der Nutri-Score ist gut verständlich und verlässlich, auch wenn er noch erklärungsbedürftig ist“, sagt er. Eine fehlende Einigung auf EU-Ebene sieht er hingegen als Problem: „Das wäre ein Rückschritt für die Verbraucherinnen und Verbraucher.“

Das wäre ein Rückschritt für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg

Genau danach sieht es aber nach dem jüngsten EU-Agrarministerrat in Brüssel aus. Der Vertreter Italiens stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass der Nutri-Score „null“ dazu beitrage, das Problem des Übergewichts in der Bevölkerung zu bekämpfen.

Auch aus Griechenland und Portugal kam beim Agrarministertreffen Kritik an der übersichtlichen Farbtabelle. Zu den entschiedensten Gegnern des Nutri-Score gehört auf EU-Ebene aber Italien. Schon vor dem Amtsantritt der ultrarechten Regierungschefin Giorgia Meloni war in Rom die Sorge geäußert worden, dass Parmaschinken, Mozzarella oder Parmesan, die erfolgreich auf den deutschen Markt exportiert werden, bei der Lebensmittel-Ampel schlecht wegkommen könnten.

Ursprünglich war damit gerechnet worden, dass die EU-Kommission noch vor Ende dieses Jahres einen Gesetzgebungsvorschlag für ein einheitliches Nährwert-Label vorlegen würde. Doch inzwischen äußert man sich in der Brüsseler Behörde zurückhaltender. Zwar sei eine Mehrheit der EU-Staaten der Auffassung, dass eine Harmonisierung der Nährwert-Kennzeichnung bei den Lebensmitteln sinnvoll sei, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission. Allerdings müsse wie bei allen Gesetzesvorschlägen zunächst einmal eine Folgenabschätzung erstellt werden.

In Berlin wird daher damit gerechnet, dass die EU-Kommission nicht vor 2024 einen Gesetzgebungsvorschlag für eine einheitliche Kennzeichnung verarbeiteter Nahrungsmittel machen wird. In der Zwischenzeit droht auf europäischer Ebene eine Hängepartie – und für Deutschland eine Entwertung des Nutri-Score. Aus anderen EU-Staaten wie Italien importierte Lebensmittel lassen sich schließlich anhand der Etikettierung nicht mit hiesigen Produkten vergleichen, welche mit der Ampel gekennzeichnet sind.

Dennoch bleibt vor allem Italien bei der strikten Ablehnung der Lebensmittel-Ampel. Statt an einem Farbsystem auf den Packungen, erklärte der Vertreter Roms beim letzten Agrarministertreffen, solle man doch lieber an der Erziehung für eine gesündere Ernährungsweise arbeiten.

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