Es geht nicht um die Diskussion: Ist regional das, was aus einem Umkreis von 100 Kilometer stammt? Oder muss es direkt aus der Region, also dem Bayerischen Wald oder Mainfranken zum Beispiel stammen? Oder aus ganz Deutschland? Die Frage ist vielmehr, wie regional ist die Erzeugung der Lebensmittel tatsächlich, die man in der Nähe kaufen kann? Man muss genau hinschauen.
Warum ist regional eigentlich gut? Zum einen kann man davon ausgehen, dass die Transportwege im Durchschnitt kürzer sind. Das spart Energie und ist günstiger fürs Klima. Außerdem ist die Produktion transparenter, oft kennt man den Erzeuger. Der andere Aspekt: Regionale Erzeugung macht unabhängig und krisensicher. Aber eben nur, wenn sie dazu möglichst wenig Betriebsmittel aus der Ferne benötigt.
In Einzelfällen ist "regional" die schlechtere Wahl
Regionalität kann manchmal auch für die Umwelt zu einer Belastung werden. Das bekannteste Beispiel ist wohl die sogenannte "Wintertomate" aus Deutschland. Sie verursacht nach Aussage von Hyewon Seo vom Umweltbundesamt in Dessau ein Vielfaches an Umweltbelastungen wie importierte Tomaten aus Spanien. Und wenn das Gewächshaus mit einer bis dahin ungenutzten Abwärme beheizt wird? Dann falle die Umweltbilanz immer noch ungünstiger aus als bei der Tomate, die aus Spanien importiert wird.
Ein anderes Beispiel, wo man genau hinschauen muss, sind nach Aussage von Hyewon Seo Nahrungsmittel, die längere Zeit gekühlt gelagert werden. Äpfel zum Beispiel. Da komme es auf die Art und Dauer der Lagerung an, ob die aus der Region unterm Strich wirklich umweltfreundlicher seien als importierte Äpfel. Aus diesem Grund sei es wichtig, regional und saisonal einzukaufen.
Schweinefleisch: Es kommt aufs Futter und die Ferkel an
Landwirt Paul Röger vom Baderhof in Dillingen erzeugt Premium-Schweinefleisch mit hohem Tierwohl-Niveau für eine Supermarktkette. Die Schweine haben zum Beispiel Auslauf an der frischen Luft, Stroheinstreu und ihre Schwänze werden nicht kupiert. Dazu kommt: Paul Röger hält auch Mutterschweine selbst, zieht die eigenen Ferkel auf und verfüttert hauptsächlich Futter von den eigenen Feldern. Das Getreide stammt seiner Aussage nach zu über 90 Prozent vom eigenen Hof, der Rest kommt aus der Nachbarschaft. Und das Eiweißfutter kommt nicht aus Übersee. Der Rapskuchen ist aus Niederbayern und das Soja aus dem Donauraum bis Ungarn.
Schweinefleisch vom Landwirt nebenan kann auch viel weniger Bezug zur Region haben, so Hyewon Seo vom Umweltbundesamt in Dessau. Wenn die Sojabohnen zum Beispiel in Südamerika angebaut werden. Zudem könnten die Ferkel in einem anderen Betrieb geboren und in einem weiteren Betrieb zu Mastschweinen angefüttert worden sein. Und weil immer mehr Schweinehalter aufhören, werden die Entfernungen zwischen den Betrieben, wo die Ferkel geboren, wo sie aufgezogen, gemästet und wo sie schließlich geschlachtet werden, tatsächlich immer größer.
"Richtig regional" - Beispiel Kohlrabi
Kohlrabi braucht nur acht bis zwölf Wochen, bis er erntereif ist. Ist er schon ein regionales Produkt, wenn er in diesen paar Wochen auf einem Feld in der Region steht? Der Unterschied zwischen richtig regional oder global-regional lässt sich am Beispiel Kohlrabi besonders gut beantworten, sagt Christian Hiss, der Gründer der Regionalwert AG in Freiburg. Er hat vor einigen Jahren das Forschungsprojekt "Richtig rechnen in der Landwirtschaft" angestoßen, dabei geht es darum Nachhaltigkeits-Leistungen zu bilanzieren und unter anderem auch um echte Regionalität.
Die richtig regionale Variante: Das Kohlrabisaatgut wird aus den eigenen Pflanzen nachgezogen – das funktioniert, wenn man samenfeste Sorten anbaut. Die global-regionale Variante: Wenn der Kohlrabisamen dagegen von einem der vier internationalen Großkonzerne stammt, die 50 Prozent des Saatgutmarktes beherrschen. Vor allem bei Hybridsorten könne es gut sein, dass das Saatgut "einmal um die Welt herumgeflogen" sei, weil es in anderen Erdteilen produziert werde, so Christian Hiss.
In etlichen Fällen ziehen die Gemüsebauern die Kohlrabis nicht selbst aus dem Samen, sie kaufen sie als Jungpflanzen zum Beispiel aus den Niederlanden in einem Substrat mit Torf aus Osteuropa. Jungpflanzen oder zumindest Saatgut zu kaufen ist meist deutlich billiger als es selbst nachzubauen. Doch damit wird der Betrieb anfälliger in Krisen und abhängig von vielen Zulieferern.
Düngemittel und Pflanzenschutz
Weitere entscheidende Aspekte: Kommt der Dünger wie der Großteil der Stickstoff-Handelsdünger aus Russland oder aus der Ukraine? Oder wird er mit Hilfe von Leguminosenanbau und Kompostwirtschaft auf dem eigenen Betrieb erwirtschaftet? Wo werden die Unkrautvernichtungsmittel, Herbizide und Fungizide hergestellt, wo stammen ihre Bestandteile her? Aus verschiedenen internationalen Quellen oder das andere Extrem: Wird nur Brennnesselbrühe vom eigenen Unkrauthain eingesetzt? Wieviel Sprit verbrauchen Anbau und Vermarktung, wo kommt er her?
Es macht darüber hinaus natürlich auch einen Unterschied für die Regionalität eines Produkts, ob die Kohlrabis von Mitarbeitern aus dem Nachbardorf oder von Saisonarbeitskräften aus Südosteuropa gepflanzt, gepflegt und geerntet werden. Hier sind Engpässe inzwischen Alltag. Es finden sich kaum noch einheimische Kräfte. Nicht nur im Gemüsebau. Schweinehalter Paul Röger aus Dillingen hat seinen Hofladen letztes Jahr schließen müssen, weil er keinen Metzger mehr findet, der seine Schweine schlachtet und zerlegt, damit er das Fleisch direkt vermarkten kann.
Wer´s wissen will, muss nachfragen
Kauft man mit Bio grundsätzlich auch regional? Biobauern und -gärtner setzen in der Regel weniger zugekaufte Produktionsmittel ein als ihre konventionell wirtschaftenden Kollegen. Sie verwenden keinen mineralischen Stickstoffdünger und keine chemischen synthetischen Pflanzenschutzmittel. Deshalb wirtschaften Biobauern oft regionaler.
Aber das gilt auch nicht immer, so Christian Hiß von der Regionalwert AG. Er empfiehlt nachzufragen. Welches Saatgut? Ist die Jungpflanze selbst gezogen? Woher sind die Arbeitskräfte? Die Herkunft der Düngemittel und Pestizide? Das könnte dann ein längeres Gespräch werden auf dem Wochenmarkt. Aber regional ist halt nicht gleich regional.
Lebensmittel: Regional ist nicht gleich regional - br.de
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