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Wednesday, August 25, 2021

Nutri-Score: Wie liest man die Lebensmittel-Ampel richtig? - WELT

Die Ära der gesunden Ernährung beginnt schon vor der Supermarkttür. „Leichter besser essen“ steht auf einem großen Banner vor einer Rewe-Filiale. Darunter prangt der „Nutri-Score“ – eine fünfstufige Farb-Ampel, die helfen soll, weniger ungesund zu essen.

Gut drei Monate nach dem offiziellen Start in Deutschland hatten sich 116 Firmen mit 236 Marken für die freiwillige Nutzung registriert, ließ das Bundesernährungsministerium im Februar 2021 wissen. In immer mehr Märkten ist die Skala präsent, beworben mit Flyern, Schildern und sogar Infoständen.

Die braucht es auch, denn viele Bewertungen verwirren. Ein mutmaßlich gesundes Ingwer-Getränk erhält ein Warnzeichen, während Tiefkühl-Pommes mit Bestnote geadelt werden. Dass Verbraucher sich noch nicht komplett auf den Score verlassen können, zeigt der Rechenfehler eines bekannten Konzerns. WELT AM SONNTAG erklärt, wie Verbraucher die Ampel entschlüsseln – und trotz Tücken für ihre gesündere Ernährung nutzen.

So funktioniert der Nurti-Score

Der Nutri-Score ist ein Nährwert-Logo auf der Vorderseite von Verpackungen, das Kunden bei der Wahl von Produkten helfen soll. In Frankreich gibt es ihn schon seit 2017, in Deutschland wurde er offiziell im vergangenen Herbst eingeführt – auf freiwilliger Basis.

Er besteht aus einer fünfstufigen Farbskala mit Buchstaben von A bis E. Das grüne A steht für die beste und das rote E für die schlechteste Nährwertbilanz. Energiegehalt, Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz verschlechtern die Bewertung, während Ballaststoffe, Eiweiß, Obst, Gemüse und Nüsse sie verbessern.

Das System macht es möglich, Produkte innerhalb einer Kategorie zu vergleichen, weil sich der Score immer auf 100 Gramm oder 100 Milliliter bezieht. Am Kühlregal lässt sich anhand des Scores also sehen, welcher Joghurt die günstigeren Nährwerte hat, erklärt Armin Valet, Ernährungsexperte von der Verbraucherzentrale Hamburg.

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Nicht gedacht ist er jedoch für den Vergleich verschiedener Produktgruppen: Eine mit B bewertete Pizza statt einen mit C bewerteten Joghurt zu essen, ist nicht sinnvoll. Zudem gilt etwa für Getränke eine andere Punkteverteilung.

Noch sind die meisten Produkte in Supermärkten nicht mit dem Logo versehen. Entscheiden sich Hersteller aber dafür, müssen sie konsequent sein. „Rosinenpicken ist verboten“, sagt Valet.

Wer gesunde Produkte einer Marke mit dem Nutri-Score bedruckt, muss das auch bei allen anderen tun. Dabei hat man allerdings einen zeitlichen Puffer: Rewe zum Beispiel stellt die Verpackungen seiner Eigenmarken eigenen Angaben zufolge nach und nach um. Die Informationen sind aber auch online zu finden.

Hilft die Ampel wirklich weiter?

Bis zu 40.000 Produkte gibt es in sogenannten Vollsortimentern – großen Supermärkten mit breiter Produktauswahl also –, bis zu 20.000 davon stammen in der Regel aus dem Lebensmittel-Sortiment. Doch dass sie alle mit dem Nutri-Score gekennzeichnet werden, ist unwahrscheinlich. Bislang können Unternehmen selbst entscheiden, ob sie den Score auf ihren Produkten abbilden oder nicht.

Genau das kritisieren Verbraucherschützer. „Wir brauchen europaweit ein einheitliches System, das für alle Hersteller Pflicht ist“, sagt Valet. Sonst bleibe es für Kunden zu schwierig, Produkte schnell zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Dennoch sei die Kennzeichnung ein wichtiger Durchbruch. Denn nun gäbe es bei Fertigprodukten zumindest eine Orientierungshilfe.

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Auch Peter Kenning, Ökonom und Vorsitzender des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen, sieht das als „guten Schritt in die richtige Richtung“. Viele Studien zeigten, dass so eine Ampel den Verbrauchern die Informationsaufnahme erleichtert und Orientierung bietet.

„Der Nutri-Score könnte dazu beitragen, dass problematische Werbesprüche entlarvt werden und die Kunden nicht mehr ohne Weiteres glauben, dass Weingummis, die mit veganen Zutaten und Vitamin C werben, deswegen auch gesund sind“, sagt Kenning. Der Nutri-Score sei ein sinnvolles Instrument, „um etwaige Fehlentwicklungen in der Ernährung zu korrigieren“.

Dennoch, ganz unproblematisch ist das nicht, findet auch Kenning – schließlich könne jede Kennzeichnung falsch interpretiert werden und verdränge womöglich andere Informationen. Der Nutri-Score könne langfristig auch unabhängig von der konkreten Kaufentscheidung helfen: indem Hersteller ihre Produkte von sich aus gesünder machen.

Das gilt es zu beachten

Der Nutri-Score allein garantiert keine ausgewogene Ernährung. Schließlich spielt bei der Einstufung beispielsweise keine Rolle, wie der Käufer die Produkte verzehrt – etwa mit viel Salz oder Soßen. Auch die Menge sollten Verbraucher beachten: Der Score bezieht sich immer auf 100 Gramm oder Milliliter. Produkte wie eine 400 Gramm schwere Pizza essen die meisten aber als Ganzes.

Und Verbraucherschützer verweisen darauf, dass Zusatzstoffe nicht erfasst werden. Stellen Hersteller also von Zucker auf Süßungsmittel um, kann sich der Score verbessern. „Das sehen wir kritisch, denn Süßungsmittel sind nicht per se besser“, erklärt Ernährungsexperte Valet. Sie könnten ebenfalls negative Effekte haben.

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Auch in anderen Kategorien können Unternehmen versuchen, schlechte Werte durch andere Zutaten auszugleichen – die aber nicht unbedingt gesünder sind. Wer sich für einzelne Inhaltsstoffe interessiert, muss deshalb weiter auf die zusätzlichen Angaben schauen. Eine detaillierte Nährwert-Tabelle und ein Zutatenverzeichnis sind bei vorverpackten Lebensmitteln verpflichtend und finden sich meist auf der Rückseite.

Zudem kann Verwirrung durch andere Kennzeichnungen entstehen, etwa durch ein zusätzliches Bio-Siegel. „Dieses ist wichtig unter Nachhaltigkeitsaspekten und um eine Pestizidbelastung auszuschließen. Vorgaben zu Zucker oder gesättigten Fettsäuren macht es aber zum Beispiel nicht“, so Valet. Natürlich wäre es toll, wenn ein Siegel alle Faktoren beurteilen könne, sagt er. „Aber das ist eine Illusion.“

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Bei Produkten, auf denen noch kein Nutri-Score zu finden ist, können sich Kunden mit einer Online-Übersicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes behelfen. Sie zeigt, welche Mengen für die wichtigsten Nährwerte gering, normal oder zu hoch ausfallen.

Produkt I: Ingwer-Shot

Ingwer-Stücke und Bio-Qualität klingen nach einer guten Wahl? Nicht unbedingt, zeigt der Nutri-Score auf dem Ingwer-Shot der Eigenmarke Rewe Bio: Er bekommt ein E, die schlechteste Bewertung. Das liegt daran, dass er nur wenig Ingwersaft enthält, erklärt Verbraucherschützer Valet.

Ingwer-Shot von Rewe
Ingwer-Shot von Rewe
Quelle: Florian Gehm

Bei Getränken müsse der Frucht- oder Gemüse-Anteil aber bei über 40 Prozent liegen, um die Negativ-Punkte zu reduzieren. Zudem ist dieses Produkt relativ kalorienreich und enthält Agavendicksaft, sodass es sehr zuckerhaltig ist. Es gibt Alternativen, die einen höheren Obst- und Gemüseanteil haben und eine bessere Nutri-Score-Bewertung erzielen.

Produkt II: Schoko-Mousse

Die Unternehmen berechnen den Nutri-Score für ihre Produkte selbst. Was auf der Verpackung steht, wird nicht durch eine zweite Instanz überprüft. Dabei kommt es zu Fehlern, wie WELT AM SONNTAG beim Kauf zweier Danone-Produkte herausfand.

So schneidet das „Dany Sahne Schoko Mousse“ in den relevanten Kategorien schlechter ab als das „Dany Mousse feinste Schokolade“. Trotzdem erhält es den besseren Nutri-Score. Das sorgte auch bei Verbraucherschützer Valet für Unverständnis.

Unterschiedliche Bewertung: Dany Mousse von Danone
Unterschiedliche Bewertung: Dany Mousse von Danone
Quelle: Florian Gehm

Und tatsächlich räumte Danone auf Nachfrage ein: „Bei der Berechnung des Nutri-Scores auf einer unserer mehr als 100 Produkteinheiten ist uns ein Fehler unterlaufen: Statt einem D trägt Dany Sahne Schoko Mousse derzeit ein C. Wir haben die Korrektur direkt in die Wege geleitet.“ Online wurde die Kennzeichnung sofort geändert. Auf den Verpackungen soll das seit Mai auch zu finden sein.

Ein flächendeckendes Problem sei das nicht, sagt Valet. Doch der Fehler zeigt: Dass sich Firmen zur Nutzung der Skala nur bei der europaweit zuständigen französischen Gesundheitsagentur registrieren müssen und die Skala dann ohne weitere Prüfung nutzen können, reicht offenbar nicht.

Produkt III: Olivenöl

Olivenöl besteht komplett aus Fett. Doch das heißt nicht, dass ein Produkt deshalb automatisch in der schlechtesten Nutri-Score-Stufe landet. So wird Olivenöl mit C bewertet – Pluspunkte gibt es unter anderem, weil der Anteil gesättigter Fettsäuren relativ gering ist.

Trotzdem fällt die Einstufung wenig vorteilhaft aus. Dabei seien etliche Pflanzenöle ein wichtiger Bestandteil der Ernährung, sagt Valet. Der übliche Konsum sei nicht schädlich. „Bei solchen Monoprodukten macht der Nutri-Score wenig Sinn“, sagt er.

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Als solches gilt auch unverarbeitetes Fleisch. Hier bestehe schließlich, anders als bei Fertigprodukten, keine Gefahr, dass Verbraucher den Überblick über die Zusammensetzung verlieren. Valet plädiert dafür, den Nutri-Score vor allem bei Fertigprodukten zu verwenden.

Produkt IV: Müsli

Bei Müsli fällt der hohe Anteil an Ballaststoffen wie zum Beispiel in Vollkorn positiv ins Gewicht, sagt Valet. Beeren-Müsli kann aufgrund des hohen Fruchtgehalts weitere Pluspunkte sammeln. Sind hingegen viel zusätzlicher Zucker und Fett enthalten, sinkt der Score.

Nutri-Score-Produkte WAMS Wirtschaft
Ballaststoffen wie etwa in Vollkorn kommen diesem Müsli zu Gute
Quelle: Florian Gehm

Daher schneiden oft auch Schokomüslis schlechter ab. Auf den ersten Blick äußerst gesund wirkende Produkte wie Dinkelknuspercerealien sind nicht zwangsläufig die bessere Wahl: Sie enthalten mitunter viele gesättigte Fettsäuren und relativ wenige Ballaststoffe.

Produkt V: Pommes-Frites

Auch vermeintlich ungesunde Lebensmittel wie Pommes können den Höchstwert von A erreichen. „Viele Pommes werden inzwischen im Backofen statt in der Fritteuse gebacken und haben einen geringeren Fettgehalt als früher“, sagt Valet. Das wirke sich auch positiv auf den Kaloriengehalt aus.

Ein Vergleich mit anderen Kartoffelfertigprodukten sei sinnvoll. „Lieber Pommes mit Bewertung A als Kartoffelsalat mit viel Mayonnaise mit einem C.“ Aus seiner Sicht müsste aber ein Hinweis auf die Packung, dass sich bei Zubereitung in der Fritteuse der Nutri-Score verschlechtert.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Quelle: Welt am Sonntag

Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2021 veröffentlicht.

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