Kaffeebauer im Süden Brasiliens zu sein ist gerade kein bewundernswerter Job. Hier, wo die berühmten Arabica-Bohnen angebaut werden, herrscht schon seit März eine Jahrhundertdürre. Bauern wie Mauricio Pinheiro mussten neue Brunnen graben und die Wasservorräte für die Familie kürzen, um die Pflanzen am Leben zu erhalten, wie er gegenüber Bloomberg erzählt. Im brasilianischen Sommer, der von Januar bis April geht, fiel in den Anbauregionen so wenig Regen wie nie seit der Wetteraufzeichnung.
Kaum neigt sich die Dürrephase einem mutmaßlichen Ende, wenn es jetzt in den Winter auf der Südhalbkugel geht, da kommt schon das nächste Problem. In der vergangenen Woche fielen die Temperaturen nachts überraschend in die Minusgrade. Gerade junge Kaffeepflanzen und Setzlinge überlebten den Frost nicht. Joseph Reiner, ein Kaffeebauer in Minas Gerais, erzählte Bloomberg, 120.000 seiner 200.000 Setzlinge, die er vergangenes Jahr anpflanzte, seien zerstört. Andere Bauern rechnen mit Ernteeinbußen von 30 Prozent – und das auf Jahre hinaus, denn die gestorbenen Pflanzen müssen erst neu ausgesät werden.
Extremes Wetter treibt Preise
Brasilien ist dabei nur ein Beispiel für extremen Wetterverhältnisse, die gerade Landwirten überall auf der Erde Kummer bringen. In Kanada sorgt eine Dürreperiode dafür, dass die Ernten für Weizen so gering ausfielen wie seit 30 Jahren nicht mehr. Auf der anderen Seite der Grenze, in den USA, wird dieses Jahr so wenig Hafer geerntet wie noch nie – und die Aufzeichnungen gehen hier bis 1866 zurück. In China fällt ebenfalls weniger Regen, was hier vor allem der Schweinehaltung schadet. Und auch die starken Regenfälle in Deutschland der vergangenen Wochen beunruhigen Agrar-Experten. Sie fürchten, dass sich Parasiten und Pilze nun leichter auf den Feldern ausbreiten können.
Das alles sorgt vor allem dafür, dass die Preise steigen. Der oben erwähnte Arabica-Kaffee ist bereits rund 60 Prozent teurer als vor einem Jahr. Verbraucher merken das etwa daran, dass Tchibo erstmals seit Jahren seine Preise erhöhte. Auch Mais (plus 60 Prozent), Sojabohnen (plus 54 Prozent), Zucker (plus 47 Prozent) und Weizen (plus 22 Prozent) haben gegenüber dem vergangenen Sommer deutlich zugelegt. Das sind die Preise der Mercantile Exchange in Chicago, wo die Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Produkte festgelegt werden.
Auswirkungen auf deutsche Preise umstritten
In deutschen Supermärkten sind diese Preissteigerungen noch nicht flächendeckend angekommen. Der Internationale Währungsfonds gab in einer Kurzstudie im Juni an, dass es sechs bis zwölf Monate dauern werde, bis Verbraucher die Auswirkungen beim Einkauf spüren würden. Das wäre dann im kommenden Jahr.
Für die Verzögerung gibt es zwei Gründe. Erstens werden viele Agrar-Rohstoffe, etwa Weizen und Soja, erst verarbeitet, bevor sie in Form von Brot und Tofu im Supermarkt landen. Zweitens werden die Händler jetzt noch auf der Grundlage von Verträgen aus der Vergangenheit beliefert. Preissteigerungen bei Rohstoffen können also erst mit den neuen Handelsverträgen weitergegeben werden.
Ob dies zu steigenden Preisen für Verbraucher führt, ist noch nicht sicher. „Zumindest ein Teil der gestiegenen Beschaffungskosten muss an die Kunden weitergegeben werden“, sagt Robert Kecskes vom Marktforschungsinstitut GfK gegenüber dem „Handelsblatt“. Bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) ist man sich da nicht so sicher. Auf Anfrage heißt es, dass gerade bei verarbeiteten Lebensmittel auch viele andere Faktoren eine Rolle bei der Preisgestaltung spielen. In Deutschland ist das aktuell etwa die durch die CO2-Steuer gestiegenen Energiepreise und der durch die Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr ausgelöste Basiseffekt. Beide könnten zu einer höheren Teuerungsrate führen.
811 Millionen Menschen hungern weltweit
Bei frischen Lebensmitteln zeigt sich die bisher noch nicht. Deren Preise stiegen im Juni nur um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, weit unter der allgemeinen Inflation. Großen Preisanstiegen bei Eiern (plus 9,1 Prozent) und Geflügel (plus 7,4 Prozent) standen Senkungen bei Kartoffeln (minus 7,4 Prozent) gegenüber.
Auch der Einfluss des aktuellen Wetters ist in Deutschland noch nicht abzusehen. Die AMI rechnet zumindest mit regionalen Ausfällen. In Rheinland-Pfalz könnten etwa durchaus einige Weinberge und Getreidefelder vernichtet worden sein. Großflächige Ernteausfälle sieht aber bisher kein Experte.
Global sieht das anders aus. Die UN veröffentlichte vor zwei Wochen ihren Welternährungsbericht. Demnach hungern aktuell rund 811 Millionen Menschen weltweit, 8,4 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor.
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Lebensmittel werden teurer: Wie Dürren, Flut und Frost jetzt die Preise treiben - FOCUS Online
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