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Thursday, June 24, 2021

Lebensmittel - Lebensmittelpunkt - Freie Presse

Achtung, Spoiler-Alarm! Mal schnell einkaufen, das funktioniert bei Linda Heinze auf keinen Fall. Im Ladengeschäft "Frassgusch", knapp hinter dem Ortseingang von Drebach, wird viel gesprochen, miteinander gesprochen. Es geht dabei nicht um den üblichen Dorftratsch. Sondern hier trifft sich eine Familie, die Woche für Woche größer wird. Beim...

Achtung, Spoiler-Alarm! Mal schnell einkaufen, das funktioniert bei Linda Heinze auf keinen Fall. Im Ladengeschäft "Frassgusch", knapp hinter dem Ortseingang von Drebach, wird viel gesprochen, miteinander gesprochen. Es geht dabei nicht um den üblichen Dorftratsch. Sondern hier trifft sich eine Familie, die Woche für Woche größer wird. Beim Auswählen der Kohlrüben und Kartoffeln, beim Stöbern zwischen den im Holzregal drapierten Gläsern und Flaschen tauschen sich Kundschaft und Ladenbesitzerin über neue Produkte und gelungene Rezepte aus. Ressentiments haben im kleinen Laden keinen Platz.

Lebensmittel - Lebensmittelpunkt. Das ist seit einem halben Jahr das schlichte Rezept für den Erfolg der 31-jährigen studierten Tourismuswirtschaftlerin. Die junge Chefin - Mutter von zwei Mädchen, das eine vier, das andere zwei Jahre alt - knüpft an einem sich stetig entwickelnden Produzenten-Kunden-Netzwerk für regionale Produkte. Die "Frassgusch" - für Erzgebirger das Synonym für das Leckermäulchen, den Feinschmecker - unterstützt das wachsende Bewusstsein für qualitative, gesunde Ernährung und die Erzgebirgsheimat. Linda Heinzes besonderes Engagement in ihrem Heimatort würdigte bereits das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung. Noch mitten im Projektaufbau erhielt die Drebacherin 2020 ein Preisgeld von 10.000 Euro bei der zweiten Auflage des "Simul+"-Ideenwettbewerbs. "Simul" kommt aus dem Latein und steht für "zusammen". Und zusammen ist eine Menge möglich.

Zusammen zauberte die Familie nicht nur aus einem alten, ausrangierten Baucontainer auf 40 Quadratmeter Fläche einen liebevoll eingerichteten Laden. Auch die Einrichtung selbst entstand durchweg aus Gebrauchtem. Basierend auf ihren Erfahrungen aus der Arbeit in verschiedenen Wirtschaftsunternehmen in der Region, nach dem dualen Studium in Breitenbrunn, definierte die junge Frau ihre Lebensziele. "Ich möchte dem Thema Achtsamkeit, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, einen Raum geben. Dabei denke ich an Dinge über das Essen hinaus", sagt Linda Heinze. Nachhaltigkeit, für die sie stehe, benötige Zeit, Zeit zum Wachsen. Das große Umdenken, das begonnen habe, bräuchte Strukturen, die nicht von oben nach unten diktiert würden, sondern sich von klein auf entwickelten.

Es funktioniert. Die "Frassgusch" zählt in dieser schwierigen Zeit inzwischen 30 Lieferanten: Die Eier liefert ein Geflügelhof in Eibenberg, Mehl kommt aus Waldkirchen, der Honig aus Herold, Senf aus Schlettau, Liköre aus Striegistal, Kräuterprodukte aus Grünhain-Beierfeld, Obst und Gemüse aus Lommatzsch. "Ich möchte den Verbrauchern abnehmen, dass sie für ihren Wochenendeinkauf erst fünf bis sieben Anlaufstellen anfahren müssen." Auf Kundenwunsch habe sie reagiert und im Landgut Hartmann im eigenen 5500-Seelen-Dorf einen Partner gefunden, so die "Frassgusch"-Chefin weiter. Dass es Fleischpakete nur auf Bestellung gibt und man im Laden nicht nur zwei Rouladen kaufen kann, wissen die Verbraucher zu schätzen. Die Landwirte wiederum wissen ihre Tiere vollumfänglich verkauft. Linda Heinze: "Weniger Fleisch, dafür gutes Fleisch - das ist wirtschaftlich. Preise zu drücken, ist nicht der Weg. Produkte aus der regionalen Produktion müssen das kosten, was sie wert sind."

Doch das "Frassgusch"-Netzwerk ist noch viel mehr. In Drebach wird nicht nur verkauft, sondern die Kunden nehmen direkt Einfluss aufs Verkaufsgeschehen. Unverpackt, regional, saisonal, nachhaltig und persönlich - so beschreibt Linda Heinze ihren Anspruch. Einkäufer stapeln wie selbstverständlich leere Gläser auf den Tresen, um sich Nachschub an Mehl, Linsen und Reis auffüllen zu lassen. Kein Unterschied zur Stadt. Für Neukunden stehen Gläser in unterschiedlichen Größen griffbereit im Regal. Gestutzt habe sie bei der Frage, ob sie auch richtige Rote Bete habe, erzählt Linda Heinze, als sie ihr Angebot von frischen saisonalen Produkte begründet. Was ist unter "richtiger" Roter Bete zu verstehen? "Na, eben nicht das vakuumverpackte, gekochte Gemüse aus dem Supermarkt-Frischeregal ..."

Es müsse auch nicht alles bio-zertifiziert sein, sagt die Ladeninhaberin. "Wichtig ist mir, dass die Herkunft logisch nachvollziehbar ist. Meinen Anspruch sehe ich eher darin, ein Vollsortiment zu bieten - wie eben in einem kleinen Lebensmittelladen. Und dass man die Produktion von Olivenöl nun mal nicht im Erzgebirge findet, macht diese Zutat nicht weniger wertvoll."

Ein Film über sieben Preisträger des "Simul+"-Wettbewerbes "Ideen für den ländlichen Raum" 2020 zeigt, wie kreative Projekte im ländlichen Raum entwickelt und erfolgreich umgesetzt werden können. Auftraggeber ist das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung. Auch das Beispiel von Linda Heinze steht für sächsische Initiativen, die mit Engagement und Kreativität dafür stehen, im ländlichen Raum etwas zu bewegen.

10 Millionen Euro investiert

Der Wettbewerb "Ideen für den ländlichen Raum" ist Teil der Initiative Simul+ des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung. Er wird auch in diesem Jahr fortgesetzt.

128 Projektideen sind bisher im Rahmen des Wettbewerbes in Sachsen mit insgesamt 10 Millionen Euro prämiert worden. Mit den Wettbewerbsprämien werden diese umgesetzt. Weiteres Ziel ist, die regionalen Akteure zu vernetzen. (ka)

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