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Sunday, February 20, 2022

Lebensmittel aus der Heimat: Zurück zur regionalen Versorgung - MDR

So ein Netzwerk ist beispielsweise die Marktschwärmerei. Hier bestellen und bezahlen Kunden vorab ihre regionalen Produkte übers Internet. Die Lebensmittel werden dann von den Erzeugern wöchentlich an eine zentrale Stelle gefahren, wo sie abgeholt werden können. In Zittau trifft man Nixdorf-Munkwitz jeden Donnerstagnachmittag im Salzhaus an, wo sie für die Marktschwärmerei Kisten mit Lebensmitteln aus der Oberlausitz bestückt. In dem mittelalterlichen Gewölbe des Speicherbaus stehen links und rechts die Tische voll mit bestellten Warenkisten. Sogar auf einer Holzbank wurden drei geparkt.

Dazwischen pingpongt Nixdorf-Munkwitz. Sie sprüht vor Begeisterung, wenn es um Oberlausitzer Produkte geht. Jeder, der seine Waren bringt, wird von ihr geradezu fürstlich empfangen. Ein Höhepunkt diesmal auf der Zittauer Marktschwärmerei ist eine Lieferung von der kleinen Eismanufaktur Gruners in Boxberg. Schnell schiebt die 42-Jährige eine Gefriertruhe herbei, damit die Eiskreationen bloß nicht antauen. Keine Minute später eilt Nixdorf-Munkwitz einem Mitarbeiter von der Naturparkfleischerei Wagner entgegen. Dieser hat aus Mittelherwigsdorf eine ganz besondere Schinkenkreation zum Verkosten mitgebracht - Lammschinken mit Oberlausitzer Mohn.

Alte Sorten und Verarbeitung im kleinen Format

Mohn wird erst seit wenigen Jahren als Sonderkultur im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft angebaut, erklärt Nixdorf-Munkwitz und greift damit ein wichtiges Thema der Bio-Regio-Modellregion auf: "Wir müssen uns über neue Kulturen, die auch alte Kulturen sein können, Gedanken machen." Weil die Lausitz trockener werde und nicht mehr so intensiv gedüngt werde, müsse sich die Landwirtschaft anpassen. Es gebe verschiedene Anbauversuche, auch mit alten Getreidesorten, die besser auf kargen Böden wachsen. "Das wollen wir unterstützen, vernetzen und schauen, wo das Potenzial ist."

Brot aus alten Getreidesorten bäckt bereits Stefan Richter von der gleichnamigen Bäckerei aus Kubschütz. Er ist ein Verfechter von Slowfood- und Bioprodukten und verarbeitet für seine Brote Biogetreide vom Familienbetrieb Löhnert. Wenn Richter vom Bioanbau seines Champagnerroggens, dem Feld mit dem hochwachsenen Korn, mit Windbrüchen und Insekten erzählt, kommt er ins Schwärmen. Für eine Wertschöpfung in der Region müssen auch die Verarbeitungsschritte wieder im kleineren Format stattfinden können, sagt er. Weg von den sehr effizient arbeitenden großen Mühlbetrieben, weg von den großen Molkereien, wo sich die Herkunft von Mehl und Milch gar nicht mehr nachvollziehen lasse.

Dem stimmt Nixdorf-Munkwitz zu. Vor allem durch den Preisdruck des globalisierten Marktes seien viele regionale Kreisläufe heutzutage nicht mehr vorhanden. "Wir haben sämtliche Systeme auf unglaubliche Effizienz getrimmt und versucht Zwischenstationen auszuschalten." Damit sei man aber nicht immer gut beraten. Zum Beispiel habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass globale Lieferketten extrem störanfällig sind.

Gerade Grundversorgung sollte wieder lokal gedacht werden.

Anja Nixdorf-Munkwitz Projektleiterin der Bio-Regio-Modellregion

Marktschwärmereien gibt es in der Oberlausitz erst seit knapp zwei Jahren. Neben Zittau findet man sie derzeit in Görlitz, Hoyerswerda und Bautzen. Für das Ausliefern der Bestellungen in die vier Städte haben sich Erzeuger auch zusammengetan. So nimmt Kathleen Kitsche von der Kelterei Kekila aus Lauba mal das Gemüse der Gärtnerei Fritsche mit, mal fährt ein Mitarbeiter der Gärtnerei ihren Saft aus. "Da hat man nicht jedes Mal diese Fahrerei und es verteilt sich ein bisschen auf den Schultern", sagt die Kelterei-Chefin, während sie bestellten Apfel- und Rhabarbersaft in die Kisten einsortiert.

Marktschwärmerei als Miniverteilzentrum

Kitsche nutzt die Marktschwärmereien, um ihren Kundenkreis zu erweitern. Ein Vorteil zu althergebrachten Wochenmärkten ist für sie dabei die Planbarkeit. Wenn man früh zum Markt fahre, sei das ganze Auto voll, aber man könne nicht abschätzen, wieviel man verkaufen werde. Hier im Salzhaus sei durch die Bestellungen von vorne herein klar, wie viele Produkte ausgefahren werden, so Kitsche. Aber die Marktschwärmerei sei auch ein guter Treffpunkt für die Erzeuger. So hat die Saftkelterei Kekila im eigenen Getränkemarkt einen Hofladen mit Oberlausitzer Produkten integriert. Dafür benötigte Waren werden hier umgeladen. "Dadurch hat man weniger Fahrerei und schont die Umwelt", sagt die Kekila-Chefin.

Im Endeffekt ist Regionalität immer dann gut gelebt, wenn sich funktionierende Kreisläufe bilden.

Anja Nixdorf-Munkwitz Projektleiterin der Bio-Regio-Modellregion

Das Umweltbewusstsein sei da, oft fehle aber der richtige Impuls für die Umsetzung. Hier müssen für die Kunden Alternativen geschaffen werden, wie Nixdorf-Munkwitz ausführt: "Für den einen passt ein neuer Wochenmarkt, für den anderen eine Marktschwärmerei und für manchen passt tatsächlich das Regionalregal im Supermarkt." In dieser Bandbreite wolle man im Rahmen der Modellregion nun in den nächsten drei Jahren versuchen, möglichst viele Lösungsansätze zu finden, damit möglichst viele mittun, so Nixdorf-Munkwitz.

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