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Saturday, January 29, 2022

Serie: Social Entrepreneurship: Abholen statt Wegwerfen: Too Good To Go rettet Lebensmittel vor dem Müll - Handelsblatt

Düsseldorf Wo viel Essen angeboten wird, bleibt viel Essen übrig. Wer in der App des Unternehmens Too Good To Go (TGTG) danach sucht, wo etwa Mahlzeiten, Salate, Beilagen oder Backwaren unverkauft geblieben sind, findet allein in Berlin mehr als 1000 Geschäfte, die diese Reste zur Abholung anbieten. „Überraschungstüten“ heißt das Angebot, zu dem zum Beispiel der Lieferdienst Gorillas, die Bio Company oder ein Berliner Donut-Laden überschüssige Ware beisteuern.

„Too Good To Go“, zu gut zum Wegschmeißen. Kunden können über den Vermittler Speisen zum halben Normalpreis oder günstiger bestellen und abholen. Meist sind die Tüten nach Minuten vergriffen. Abholen kann man sie bei den Anbietern meist nur in einem Zeitfenster von einigen Minuten kurz vor Ladenschluss. Dann, sagt die CEO des Start-ups, Mette Lykke, hätte man frisches Essen vor dem Wegwerfen bewahrt – und ein Schnäppchen gemacht. „Wir nehmen uns eines der dringlichsten Probleme unserer Zeit an“, sagt die Unternehmerin aus Dänemark.

In Deutschland landen laut einer WWF-Studie jedes Jahr mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll – ein Drittel des gesamten Nahrungsmittelverbrauchs. 19 Prozent davon fallen in der Gastronomie und in Betriebsküchen an, 14 Prozent im Einzel- und Großhandel. Mit ihrem Geschäftsmodell adressiert Lykke diese Verschwendung.

„Wir wollten eine große Auswahl an Betrieben an Bord holen“, sagt sie, „bis jetzt haben wir mehr als 130.000 Läden auf unserer Plattform.“ TGTG verdient bei jeder verkauften Überraschungstüte mit und erfasst daher, wie viel verkauft wird. Letztes Jahr seien es insgesamt 52 Millionen Mahlzeiten gewesen, in diesem Jahr erwartet Lykke 87 Millionen.

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In ganz Deutschland nehmen etwa 11.000 Betriebe teil. Anbieter sind unter anderem Edeka, Real und Alnatura sowie Nordsee, Starbucks und Backwerk. Auch viele kleine Geschäfte machen mit. Nach Angaben von TGTG wurden im hiesigen Markt bisher 11 Millionen übrig gebliebene Portionen verkauft.

Weniger verschwenden, mehr Kunden gewinnen

Auch Bennet Fiege, Franchiseunternehmer der Bistrokette Dean & David in Berlin, kooperiert seit ein paar Jahren mit TGTG. Einige Portionen Salat, Wraps oder Süßspeisen bleiben jeden Tag in den Vitrinen seiner Läden liegen. Etwa zwei oder drei Personen holen über TGTG allabendlich eine Tüte ab. „Es ist nicht so, dass gar nichts mehr in der Tonne landet“, erläutert Fiege, „aber es ist schon viel weniger.“ Für ihn bedeute TGTG außerdem, Kunden zu erhalten, die ohne die App vielleicht nicht gekommen wären.

TGTG auf dem Smartphone

Über die App können TGTG-Kundinnen und Kunden übrig gebliebene Essensportionen kaufen.

(Foto:&#160Too Good To Go)

Too Good To Go würde im Jahr 2015 von den Dänen Brian Christensen, Thomas Bjørn Momsen, Stian Olesen, Klaus Bagge Pedersen und Adam Sigbrand in Kopenhagen gegründet. Mette Lykke wurde 2016 Teil des CEO-Teams. Sie hatte die App während einer Busfahrt bei ihrer Sitznachbarin entdeckt und wurde neugierig. Lykke ging selbst auf die Gründer zu, die zu dem Zeitpunkt Verstärkung suchten.

Die Managerin brachte die nötige Erfahrung mit. Nach einer Stelle bei der Unternehmensberatung McKinsey co-gründete sie im Jahr 2007 die Fitness-App Endomondo, mit der Nutzer digital Trainings absolvieren konnten. 2015 kaufte der US-Sportartikelkonzern Under Armour die App für 85 Millionen Dollar.

Bis heute hat TGTG 70 Millionen Euro Investorengeld eingesammelt. Die erste Wagniskapitalrunde schloss TGTG im Januar 2021 mit 25 Millionen Euro. Der Großteil kam vom Blisce Fonds aus den USA und aus Frankreich, der sich auf Verbrauchertechnologien mit sozialem Fokus ausrichtet. Gewinne erwirtschaftet das Start-up noch nicht.

Vor allem die Coronakrise samt Schließungen in der Gastronomie hätten sich stark auf den Umsatz ausgewirkt. Zeitgleich investierte TGTG in die Expansion in den USA. „Die Zahl unserer Partnerbetriebe ist mittlerweile höher als vor der Krise“, sagt das Unternehmen, das werte man als optimistisches Zeichen für die Branche.

Auswirkungen klein, Bewusstsein groß

Dem Eindruck, mit einer App kiloweise Lebensmittel vor dem Verderben retten zu können, widerspricht Professor Ulrich Jürgens vom Geographischen Institut der Uni Kiel. „Die Menge an Lebensmitteln, die mutmaßlich gerettet wird, liegt im Promillebereich“, sagt Jürgens, der zu Ausmaß und Ursachen von Lebensmittelverschwendung forscht.

TGTG könne aber mit seinem Konzept viele Menschen zum Thema Lebensmittelverschwendung sensibilisieren. Trotzdem sei nicht absehbar, ob die überschüssige Ware zu Hause vielleicht doch im Müll landet. „Das Problem ist auch, dass man viele Schnäppchenjäger anzieht“, sagt Jürgens. Letztendlich seien diese zusätzliche, meist regelmäßige Kundschaft. Wichtig sei vor allem, in der Gesellschaft eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel zu schaffen. Diese seien allgemein zu billig, wodurch sie entwertet werden.

„Wir haben festgestellt, dass die Kombination aus einem guten Zweck und einem guten Deal die App für unsere Nutzerinnen attraktiv macht“, erklärt TGTG-Chefin Lykke. „Und daran ist ja nichts auszusetzen.“ Abseits des Geschäfts über die App startete das Unternehmen der CEO zufolge Projekte für die Lebensmittelrettung, wie eine Kampagne zur Aufklärung über das Mindesthaltbarkeitsdatum.

Serie: Social Entrepreneurship

Dass es Partnerunternehmen gäbe, die TGTG nur für zusätzliche Kundschaft, nicht aber für die Abgabe übrig gebliebener Lebensmittel nutze, könne vorkommen. Es sei aber selten, sagt sie: „Wir vertrauen unseren Partnerinnen und wurden darin in der Vergangenheit im Großen und Ganzen nur bestätigt.“ Teil des Vertrages mit TGTG sei, nur tatsächlich überschüssige Lebensmittel zu verkaufen.

Elisabeth Hagen ist bei der Verbraucherzentrale in Berlin für das Thema Lebensmittelverschwendung zuständig. Sie sieht in der App einen Vorteil vor allem für Betriebe, die Buffets anbieten. „Buffetreste und das, was vor Ort angeboten wird, könne man wegen Hygienevorschriften nicht so einfach spenden“, erläutert sie. Diese im Handel weiterzugeben sei aber erlaubt. Generell empfiehlt sie Unternehmen, den Lebensmittelverbrauch immer präziser zu kalkulieren.

Mehr: Das Mindesthaltbarkeitsdatum könnte aus Europas Supermärkten verschwinden

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