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Tuesday, August 3, 2021

Wie Alexander Piutti mit seinem Tech-Start-ups SPRK Lebensmittel retten will-handelsjournal - handelsjournal

Während er auf der Krebsstation der Berliner Charité liegt, hat Alexander Piutti viel Zeit zum Nachdenken. Ein Termin für den Beginn der Chemotherapie ist bereits vereinbart – doch dann, nach zwei langen Wochen, stellt sich die Diagnose als falsch heraus. In Wahrheit leidet Piutti an einer gut behandelbaren Autoimmunerkrankung namens Sarkoidose. Gute sieben Jahre ist das her, heute geht es dem inzwischen 52-Jährigen gut. Trotzdem veränderte die Diagnose sein Leben.

Der Seriengründer, spezialisiert auf digitale Infrastruktur und Marktplätze, wendet sich fortan Themen zu, die ihn zuvor kaum interessierten, Umweltschutz und Nachhaltigkeit zum Beispiel. Bei seinen Recherchen stößt er auf das Thema Food Waste. Und was er dazu findet, erschreckt ihn: Denn einschlägige Studien besagen, dass weltweit pro Jahr rund 1,6 Milliarden Tonnen Lebensmittel entsorgt werden, was die unnötige Emission von 4,4 Milliarden Tonnen Treibhausgasen bedeutet – und circa acht Prozent des gesamten weltweiten Ausstoßes entspricht.

Dem will der findige Machertyp etwas entgegensetzen: Abhilfe soll das im März 2020 gegründete Start-up SPRK bringen, das inzwischen 20 Mitarbeiter beschäftigt. Mit diesen entwickelt Piutti eine von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Umverteilungsplattform, die Akteure entlang der Lieferkette vernetzt. Die entscheidenden Fragen ließen sich mittels Algorithmen abbilden, erklärt der Gründer: Wo und wann fallen Überschüsse an? Wo und wann werden sie gebraucht, können also verkauft, gespendet oder weiterverarbeitet werden? Seine Vision: „Bald kann die KI vorausschauende Aussagen über Warenüberschuss und -mangel treffen.“

20 Tonnen Kartoffeln für Mallorca

Erste Erfolgsgeschichten kann der Gründer bereits erzählen, etwa diese: Kürzlich hat das Unternehmen den Transport von 20 Tonnen überschüssiger Kartoffeln von einem Bauern im nordrhein-westfälischen Greven auf die spanische Insel Mallorca organisiert. Abnehmer der Spende war die Organisation Hope, die wie die deutschen Tafeln Lebensmittel an Bedürftige verteilt.

Wie SPRK Geld verdient? Nicht jede Weitergabe erfolgt als Spende, vielmehr verkauft das Start-up einen Teil der kostenlos oder für einen symbolischen Preis von einem Euro abgenommenen Lebensmittel sofort zu einem günstigen Preis weiter. Auch die Weiterverarbeitung, etwa von Tomaten zu Ketchup, ist eine Option. Die bei Partnerunternehmen hergestellten Produkte verkauft SPRK zu markt-​üblichen Preisen an Partner oder in eigenen Läden – das erste „Deli by SPRK“ eröffnete Ende Mai in Berlin. Die Gebühr, die Partner für die Nutzung der Umverteilungsplattform zahlen, stellt die dritte Erlössäule dar.

Rund 30 Partner aus der gesamten Lebensmittelbranche, die Überschüsse melden oder Lebensmittel abnehmen, hat Piutti nach eigenen Angaben bereits gewonnen. Auch ein großer Lebensmitteleinzelhändler ist darunter, mit dem er allerdings Stillschweigen vereinbart hat – den Namen darf Piutti derzeit nicht nennen. Der Berliner Großhändler Hamberger dagegen macht kein Geheimnis aus der Zusammenarbeit mit SPRK und lobt sie als „unkompliziert und verlässlich“.

Fußballer Mario Götze investiert

Marktleiter Michael Schneider sieht einen wesentlichen Vorteil darin, dass sich sein Unternehmen nicht länger selbst um die Umverteilung überschüssiger Lebensmittel kümmern muss. Zudem hofft er, Entsorgungskosten einzusparen. Ein potenzieller weiterer Gewinn: Durch die Kooperation können Händler demonstrieren, dass sie soziale und ökologische Verantwortung übernehmen. Das dient der Imagepflege, denn laut einer Umfrage des IFAK Instituts für Markt- und Sozialforschung legen Einkäufer auf diese Eigenschaften heute deutlich mehr Wert als noch vor fünf Jahren.

Exklusiv hat SPRK sein Geschäftsmodell nicht, das inzwischen auch in Deutschland aktive schwedische Start-up Motatos verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Frank Horst, Experte für das Thema Food Waste beim EHI Retail Institute, hält die Konzepte aus Sicht des Handels durchaus für interessant. Allerdings unternähme die Branche bereits einiges, um das Problem einzudämmen (siehe Interview). Welches Potenzial Unternehmen wie SPRK und Motatos in der Praxis böten, um Lebensmittelverschwendung weiter zu reduzieren, müsse sich daher erst zeigen.

Schwierigkeiten, Investoren zu überzeugen, hat Piutti jedenfalls nicht. In der Seed-Runde im vergangenen Jahr sammelte er einen siebenstelligen Betrag ein, unter anderem von prominenten Impact-Investoren wie dem Fußballer Mario Götze und dem Schauspieler Fahri Yardim. Die nächste Finanzierungsrunde läuft bereits, das Ziel: 20 Millionen Euro. In fünf oder sechs Jahren schon, hofft Piutti, könnte SPRK als Umverteilungsplattform etabliert sein. Der Gründer, der selbst zwei Kinder hat, schwärmt: „Es wäre doch wunderbar, wenn wir das Food-Waste-Problem nicht unseren Nachkommen vererbten.“ 

„Die Hälfte der entsorgten Lebensmittel landet in privaten Mülltonnen“

Was unternimmt die Handelsbranche gegen die Verschwendung von Lebensmitteln?

Wir sehen erhebliche Anstrengungen: Unternehmen setzen etwa auf regionale Lieferanten, kleinere Einkaufsmengen und höhere Lieferfrequenzen, um Überschüsse zu reduzieren, und geben unverkäufliche Ware an Tafeln ab. Sie reduzieren zudem die Preise vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums und optimieren die Disposition.

Welche Wirkung zeigen diese Anstrengungen?

Die Menge an Lebensmitteln, die von Händlern entsorgt werden, blieb in den vergangenen 15 Jahren trotz aller Bemühungen in etwa konstant. Das liegt an parallelen Entwicklungen wie etwa der Ausweitung der Frischesortimente, einem größeren Angebot an Convenience-­Produkten oder auch dem Verzicht auf Verpackungsmaterial, der oft eine kürzere Haltbarkeit und damit mehr unverkäufliche Ware zur Folge hat.

Warum lässt sich die Entsorgung unverkäuflicher, aber noch essbarer Ware nicht komplett vermeiden?

Der Verbraucherwunsch nach stets frischer, makelloser Ware führt etwa bei Backwaren und Obst dazu, dass die hergestellte Menge nicht nur die ver­kaufte, sondern die überhaupt ver­brauchte Menge übersteigt. Wer soll diesen Überschuss abnehmen? Eine Umverteilung muss zudem schnell erfolgen, bevor die Produkte tatsächlich ungenießbar sind.

Welchen Anteil hat der Handel überhaupt an den zwölf Millionen Tonnen Lebensmitteln, die hierzulande jährlich im Müll landen?

Dieser fällt mit nur vier Prozent sehr gering aus. Der weitaus größte Anteil geht auf das Konto der Endverbraucher: Gut die Hälfte der entsorgten Lebens­mittel landet in ihren Mülltonnen.

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